Der Duft Der Wüstenrose
auf der Stelle!«
»Aber wo soll ich denn hin?«
» Akwenzeki , das ist unmöglich, Dumisani Amandla!«, ertönte da Zahaboos Stimme hinter Fanny.
Fanny drehte sich um und traute ihren Augen kaum. Wo kam Zahaboo her, und was hatte ihre sonderbare Kleidung zu bedeuten? Sie war in Felle und Ketten gewandet und trug eine merkwürdige Mütze auf dem Kopf. Sie sah aus, als wäre sie auf einem Kriegspfad.
Zahaboo schritt zu ihrem Sohn, berührte ihn nicht, nickte ihm aber hoheitsvoll zu. Es entspann sich ein heftiger Streit zwischen den beiden, in dessen Verlauf Lottchen aufwachte und zu schreien begann.
Fanny nahm ihre Tochter hastig auf den Arm und gab ihr die Brust. Während sie das Kind stillte, stritten John und Zahaboo lautstark weiter, und Fanny versank in hoffnungslosen Gedankenstrudeln.
Ludwig wollte ihre Tochter töten und hatte Söldner engagiert. Mit guten Spurenlesern würden sie sie sicher finden, sie mussten also schneller sein als die, schneller und klüger.
Wenn es ihr gelang, ihren Verfolgern zu entfliehen, und sie es bis nach Windhuk schafften, dann musste sie dort mit dem Richter sprechen. Er würde ihr bestimmt Asyl gewähren, da war Fanny sicher. Und sie würde alles tun, um ihre Ehe annullieren oder sich scheiden zu lassen. Aber wie sollte sie ohne Geld nach Windhuk gelangen, und wie könnten sie mit Kind und Karren jemals schneller sein als die Söldner?
Sie legte Lottchen an der anderen Brust an und versuchte sich zu beruhigen, aber der Wortwechsel zwischen John und seiner Mutter und die Gedanken an Flucht und ihre Verfolger ließen ihr Herz immer schneller schlagen. Sie verspürte den Drang, einfach wegzurennen.
Fanny bettete Lottchen, die wieder eingeschlafen war, an ihre Schulter, stieg vom Wagen und humpelte um den Wagen herum, als wäre das eine Lösung. Dabei sah sie immer wieder zum Horizont, konnte aber niemanden entdecken. Nicht mal eine Staubwolke. Trotzdem wäre es sicher besser, jetzt sofort aufzubrechen, anstatt sich wie John und Zahaboo anzuschreien.
»Fanny.« John legte seine Hand auf ihre freie Schulter und zwang sie so zum Stehenbleiben.
»Franziska Reutberg«, ergänzte Fanny müde, aber bestimmt. Keine Lügen mehr. »Ich heiße Franziska und ich bin die Lehrerin, die ihr zur Mission nach Okahandja brin gen solltet. Ich habe mich für Charlotte ausgegeben. Sie ist auf der Reise nach Südwest gestorben, nicht ich.«
»Franziska also.« John ging nicht weiter auf ihre Worte ein. »Wir müssen jetzt schnell sein. Meine Mutter besteht darauf, dass es ihre Pflicht ist, dir zu helfen, weil du sonst dein ganzes Leben unglücklich bleiben wirst und deine Tochter in drei Jahren sterben muss.«
»Was soll das denn heißen?« Fanny war entsetzt. Ihre Tochter war doch gerade erst geboren worden!
»Du musst mit Zahaboo in die Wüste gehen, zu einem Platz, den nur sie kennt, und dort ein magisches Ritual durchführen, das deine Perlen und dich von dem Fluch eines üblen Schwarzzauberers befreit.« John biss sich auf die Lippen, als ob er noch mehr sagen wollte, es sich aber verkneifen musste.
»Und Ludwigs Söldner?«
»Die kommen ständig näher. Doch meine Mutter ist davon überzeugt, dass du nur so von dem Fluch befreit werden kannst und genug Kraft haben wirst, um dich und deine Tochter zu retten.«
Fanny dachte an die furchterregenden, aber auch an die schönen Träume, die sie ihr ganzes Leben lang gehabt hatte. »Wieso können wir das Armband nicht einfach hier und jetzt mit einem Ritual für immer im Sand vergraben?«
»Weil Zahaboo weiß, dass du auch eine magische Frau bist.«
»Wie das?« Verblüfft starrte Fanny von John zu Zahaboo, die in ihrer prächtigen Aufmachung neben der rosa leuchtenden Wüstenrose stand und sie beobachtete.
»Du hast gestern den Duft der Wüstenrose gerochen, was nur magisch begabten Frauen überhaupt möglich ist. Für alle anderen Menschen, wie auch für mich, bleibt die Wüstenrose geruchlos. Deshalb reicht es nicht aus, dein Perlenarmband zu vergraben. Nein, du brauchst dieses Ritual, um deine Vergangenheit und deine Zukunft für immer zu befrieden und deine Kräfte in weiße Kanäle zu lenken.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich kann mir vorstellen, dass das für eine Europäerin wie dich reichlich mysteriös klingen muss.« Seine dunkelgrünbraunen Augen durchbohrten sie. »Aber ich glaube auch, dass eine Frau wie du damit fertigwerden kann.«
Fanny lief eine Gänsehaut über den Rücken, und sie hätte nicht sagen können, ob
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