Der Duft Der Wüstenrose
.«
John deutete auf Fannys Arm. »Du brauchst so ein Zunftabzeichen gar nicht, du hast es von deinen Ahnen geschenkt bekommen.«
Verblüfft betrachtete Fanny den winzigen kleinen Halbmond auf der Innenseite ihres rechten Unterarms. John nickte.
»Unsinn, ich bin doch keine inyanga «, widersprach Fanny.
»Nur weil du es bisher nicht wusstest, heißt es nicht, dass es nicht wahr ist. Ich habe es schon gesehen, als ich dich aus dem Wasser an den Strand getragen habe.«
Fanny erinnerte sich genau daran, wie gut es sich angefühlt hatte, von ihm gerettet zu werden. Sie seufzte. Wenn sie doch nur damals schon gewusst hätte, was sie heute wusste.
John hatte schon weitergesprochen, und sie versuchte, sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
»Zahaboos weiße Kette besteht aus den Wirbeln einer Mamba und aus Muscheln, die ihre Verbundenheit mit dem Meer anzeigen und mit der vielköpfigen Schlange, aus der die Nacht gekommen ist. Die zwei Ketten aus schwarzen Samenkapseln deuten auf ihre Künste im Bereich der Fruchtbarkeit. In der rechten Hand hält sie ein Säbelantilopenhorn, das mit hellblauen, gelben, schwarzen, weißen und roten Perlen umstickt ist. Und das in der linken Hand ist ein Gnuschwanzwedel, in den weiße und rote Glasperlen eingeknüpft sind und außerdem hell glänzende Früchte, die die Missionare Hiobstränen nennen. Mit dem Gnuwedel werden Blitze abgewehrt. Das ist wichtig, wenn ihr mit den Ahnen sprecht, es wird dich vor allem Bösen beschützen.«
Zahaboo winkte ungeduldig mit dem Wedel. John sagte ein paar Zulu-Worte zu ihr, woraufhin seine Mutter anfing, laut und keuchend zu lachen. Dann ging sie kopfschüttelnd bis zur Wüstenrose und setzte sich mit dem Rücken zu ihnen vor die Pflanze.
»Was hast du zu ihr gesagt?«
John unterdrückte ein Lächeln. »Dass ich versuchen werde, dich noch vor ihr zu behexen, damit ich endlich zwei Rinderschwänze an den Pfosten im Kraal meiner Sippe hängen kann.«
Obwohl Fanny nicht verstand, was genau er sagen wollte, berührte sein plötzlich so zärtlicher Ton sie tief in ihrem Innersten. »Was bedeutet das?«, wollte sie wissen.
»So zeigen wir unserer Sippe an, dass wir heiraten wollen.« Jetzt lachte John wie befreit, er sah sie fragend an.
Fanny war sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte. War das ein Heiratsantrag?
»Aber John, ich bin verheiratet.«
»Du weißt ja«, er grinste wieder, »dass wir Hottentottenkaffern alle polygam sind.«
Jetzt musste auch Fanny lächeln. »Auch die Frauen?«, fragte sie. Seine Gefühle hatten sich nicht geändert, ihre Ehe mit Ludwig bedeutete ihm nichts, und Lottchen war für ihn kein Hindernis. »Also, verrate mir, sind auch die Frauen polygam?«, wiederholte sie.
John schüttelte den Kopf. »Nein, und ehrlich gesagt, ich möchte auch nicht so viele Frauen. Viele Frauen bedeuten viel Ärger. Mir würde eine reichen.« Jetzt sah er ihr direkt in die Augen, brachte jeden klaren Gedanken, den Fanny gerade noch gehabt hatte, zum Verstummen. Sie versank strudelnd in den Tiefen seiner grünbraunen Augen.
Zahaboo erhob sich wieder und drängte sie zur Eile.
»Wir reden später weiter«, flüsterte John. »Zahaboo hat recht, wir haben keine Zeit, eigentlich sollten wir sofort aufbrechen und uns vor den Söldnern in Sicherheit bringen. Aber wenn meine Mutter behauptet, es wäre für uns alle das Beste, wenn sie dir hilft, mit unkulunkulu , also mit Gott, alles in Ordnung zu bringen, dann glaube ich ihr. Ich werde solange gut auf Lottchen aufpassen, ihr den Tee geben, und falls sie doch aufwacht, werde ich sie mit Wasser und Omeire füttern und ihr unmögliche Geschichten erzählen, das verspreche ich.«
Fanny wusste nicht, was sie sagen sollte, deshalb nickte sie ihm schweigend zu, küsste ihre Tochter auf die Stirn und lief zu Zahaboo hinüber, voller Angst und Neugier auf das, was nun kommen würde.
28
F anny hatte kein Zeitgefühl mehr. Sie waren zwei Tage und eine Nacht mit dem Karren durch den steinigen Sand gefahren. Dann hatten sie den Wagen zurückgelassen und waren einen weiteren Tag zu Fuß an unzähligen, halb mondförmigen Wanderdünen vorbeigelaufen. Es war Fanny ein Rätsel, woher Johns Mutter so genau zu wissen schien, wohin sie gehen mussten. Zahaboo trieb sie ständig an. Pausen gab es nur, wenn Fanny erschöpft in den Sand sank und sich weigerte weiterzulaufen, weil ihr Fuß unerträglich brannte und ihr Körper, geschwächt von der Geburt und von Ludwigs Schlägen,
Weitere Kostenlose Bücher