Der Duft Der Wüstenrose
interessiert dich das?« Ludwig schien ver wundert.
»Weil ich alles über dieses Land lernen will. Es ist doch meine neue Heimat, oder nicht?«
Ludwig nickte erfreut. »Ja, meine Liebe, du hast recht.«
»Aus ›camelopardalis‹ «, meldete sich John wieder zu Wort, »wurde in Afrikaans das Kamelpferd. Und genau dieses Kamelpferd liebt die Blüten, frisst die Hülsen und sogar das Laub dieses Baumes.« Etwas leiser fügte John noch hinzu: »Meine Mutter nennt ihn omombonde , und Hendrik würde ganab zu ihm sagen.«
» Omombonde« , wiederholte Fanny fasziniert vom ungewöhnlichen Klang des Wortes.
»Wichtiger als der Name des Baumes scheint mir jedoch, dass Funken sprühen, wenn man einen Kameldornbaum mit der Axt schlägt.« Ludwig klang jetzt energisch, als wollte er das Gespräch endlich abschließen. »Sein inneres Holz ist so hart, dass man Rad und Maschinenlager daraus fertigen kann. Und wenn man sie gut genug ölt, dann sind sie meiner Meinung nach haltbarer als die aus Messing. Es ist der Nutzen, der zählt, und nicht die Schönheit. Wenngleich …«, er küsste, nun wieder besänftigt, Fannys Hand und ihren nackten Unterarm, »… es nicht unangenehm ist, wenn die Damen schön und nützlich sind!«
Fanny war zwar froh, dass er gewillt war, ihre dumme Bemerkung über Kleider und Felle endlich zu vergessen, aber gleichzeitig wunderte sie sich ein wenig über ihn. Durch all seine Briefe war beständig ein Lächeln geschwebt, und deshalb hatte sich vorgestellt, dass er viel und oft lachen würde. Aber vielleicht gab es eben Dinge, über die er unter keinen Umständen lachen wollte. Sie durfte ihn auch nicht mit Charlotte gleichsetzen. Er war schließlich ein Mann.
»Nun, mir erscheint es wie ein Wunder, dass die Natur trotz dieser Trockenheit und Hitze einen so schönen und nützlichen Baum erschaffen kann.«
»Was man von den Weibern, die dieses Land hervorbringt, nicht gerade behaupten kann, was, John?« Ludwig zwinkerte seinem Verwalter zu. Doch der verzog keine Miene und wandte sich wieder an Fanny.
»Wir trecken hier im Swakoprivier.«
»Rivier?« Das Wort hatte Fanny noch nie gehört, obwohl sie bei den Nonnen neben Latein auch Englisch und Französisch gelernt hatte. Sie kannte das englische Wort ›river‹ für Fluss oder das französische ›rive‹ für Ufer und das deutsche Wort ›Revier‹, aber ein ›Rivier‹ war ihr unbekannt.
John nickte ihr freundlich zu und begann zu erklären.
»Riviere sind die Trockenbetten der Flüsse. Die meisten füllen sich nur zur Regenzeit mit Wasser, dann muss man sehr vorsichtig sein, denn manchmal regnet es kilometerweit entfernt, und das Wasser kann dann so überraschend herbeifluten, dass Menschen und Tiere ertrinken. Es gibt sogar Flüsse, die aus Mangel an Wasser auch in der Regenzeit in der Namibwüste versickern, wie der Tsauchab oder Kuiseb. Aber ungefähr alle zehn Jahre einmal bekommen sie während der Zeit des großen Regens so viel Wasser, dass sie es durch die Wüste bis in den Atlantik schaffen. Das letzte Mal war es, glaube ich, in dem Jahr, das die Herero Ojonjose , das Jahr des Kometen, nennen. 1883.« John seufzte. »Aber diese Wassermassen sind genau zehn Jahre her, wir bräuchten dringend eine ergiebige Regenzeit. Denn nach der Regenzeit versickert das Wasser wieder, und man muss ein Loch in das Flussbett graben, um auf Wasser zu stoßen, und je weniger Regen, desto tiefer muss man graben.« John suchte ihren Blick. »Überall dort, wo es unterirdisch Wasser gibt, da findet man auch den omombonde , weil er sehr lange Wurzeln bilden kann. Es ist sehr ungewöhnlich, dass der Swakop um diese Jahreszeit noch immer kein Wasser führt, es ist nun schon das fünfte Jahr, in dem es fast keinen Regen gibt.« Er sah in den strahlend blauen Himmel und schüttelte den Kopf.
»John, mir scheint, du ermüdest Fanny mit deinen Ausführungen.«
Fanny wollte gerade schon widersprechen, als ihr auffiel, wie ungehalten Ludwig aussah. Blitzartig wurde ihr klar, dass Ludwig ihre ganze Aufmerksamkeit wollte. Er war of fenbar eifersüchtig. Ein warmes Gefühl flutete durch Fannys Körper: Noch nie hatte jemand so deutlich sein Interesse an ihr gezeigt.
Sie warf John einen entschuldigenden Blick zu und überlegte, was sie noch zu Ludwig sagen könnte, um ihn zu besänftigen. John trabte mit einem Schulterzucken nach hinten, galoppierte dann wieder vor zum Ochsenwächter. Zwischen beiden entspann sich ein immer lauter werdender Wortwechsel, in dem
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