Der Duft Der Wüstenrose
die Kleidersäume der Tanzenden die Schrift auf dem Sandstrand verwischt und in Blut verwandelt hatten. Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, aber sie ging trotzdem weiter. Zahaboo sang lauter und trommelte dazu.
Als der Ast endlich abgebrannt war, waren alle Gedanken aus Fanny verschwunden. Ihr Kopf war völlig leer, und ihr war ein bisschen schwindelig. Sie blieb schwankend stehen und sah Zahaboo fragend an.
Zahaboo breitete ihre Arme aus und forderte Fanny auf, nun vom Feuer weg hin zum Mond und dann zum Tal hinunterzuschauen.
Der Halbmond war vor einem wolkenreichen Himmel aufgegangen und tauchte die weite Ebene in sein fahles Licht. Überrascht riss Fanny ihre Augen auf. Der tagsüber so unscheinbare, graurosa Sand hatte sich in ein dunkel glitzerndes Meer mit geheimnisvoll blinkenden Lichtern verwandelt, geradeso, als ob die Sterne vom Himmel gefallen wären. Aber Fanny wusste, dass es nicht die Sterne waren, sondern vielmehr unzählige Tränen der Sonne, die im Sand versteckt lagen. Der Anblick schnürte ihr die Kehle zu, und sie musste schlucken.
Auf Zahaboos Ruf hin drehte sich Fanny wieder zum Feuer um und sah, dass Johns Mutter aus dem Kreis heraus getreten war. Sie legte Fanny die Kette mit den Mambawirbeln um, wedelte mit dem Gnuschwanz um sie herum, dann reichte sie ihr eine kleine, bunt bemalte Kalebasse, bedeutete ihr, davon zu trinken und wieder um das Feuer zu gehen. Sie ließ sich von Fanny das Armband geben, und bevor diese einen Einwand erheben konnte, begann Zahaboo, die Perlen einzeln ins Feuer zu werfen. Jedes Mal züngelten und zischelten die Flammen hoch wie bösartige Schlangen aus Feuer. Stumm und mit großen Augen sah Fanny zu, wie die Perlen, die sie ihr ganzes bisheriges Leben begleitet hatten, ausgelöscht wurden. Sie wunderte sich, dass ihr nicht schwerer ums Herz war.
Mitten in der Zeremonie begann Zahaboo, laut zu singen. Fanny hörte plötzlich ein lautes Aufflattern und hatte den Eindruck, dass sie von zahllosen Vogelaugen angestarrt wurden. Doch während Zahaboo weitersang, verschwanden die Vögel, und Fanny vernahm leises Donnern, wie ein fernes Gewitter. Angespannt richtete sie ihren Blick auf Zahaboo und konzentrierte sich auf den Klang ihrer Stimme. In der Hand der weisen Frau lagen nur noch zwei Perlen. Erneut erklang ein lautes Zischen, und die Flammen züngelten empor. Jetzt war nur noch eine übrig. Ohne zu zögern warf Zahaboo auch dieses Verbindungsstück zu Fannys Vergangenheit ins Feuer. Und kaum hatten die Flammen die letzte Perle verschluckt, fuhr ein Blitz durch die Nacht mitten in das Feuer, es loderte hell auf, und alles um Fanny herum explodierte in grünsilbernen Flammen.
29
W o bin ich?, fragte sich Fanny. Ihre Umgebung kam ihr merkwürdig vertraut vor. Als sie den dichten Wald näher betrachtete, erkannte sie die prächtigen Buchen, und ihr wurde klar, dass sie in Grainet sein musste, dem Ort, an dem sie ihre Suche nach den Perlen begonnen hatte. Sie hatte ihn nicht sofort wiedererkannt, weil der Buchenwald sehr viel dichter stand und es dafür sehr viel weniger Häuser gab. Eigentlich waren es gar keine Häuser, sondern nur eine Ansammlung von elenden Holzhütten. Der Geruch nach Asche stieg ihr bitter in die Nase, und die rauchgeschwängerte Luft brachte sie zum Husten. Erst als sie die Frau in der Hütte sah, in ihrem schlichten Gewand, wurde Fanny klar, dass sie nicht nur an einen anderen Ort, sondern auch in eine andere Zeit gereist sein musste.
Ich bin Josefa Aschenbrennerin, die Frau, deren Rosenkranz ich im Kloster gefunden habe, dachte Fanny verblüfft, ich bin diese Frau mit dem abgearbeiteten Gesicht, fühle den zerrissenen Rock mit der schmutzigen Schürze auf meinem mageren Leib – und gleichzeitig sehe ich ihr zu, als wäre sie mir völlig fremd.
Es war brütend heiß in der merkwürdigen Hütte, in die Zahaboo sie geschickt hatte. Der Boden war aus gestampftem Lehm, und die Wände bestanden aus Holz, nur der riesige Ofen in der Mitte war aus Schamottstein gemauert und verströmte eine Höllenhitze. Überall lagen seltsame Gerätschaften herum, die Fanny plötzlich so vertraut waren, als hätte sie täglich damit zu tun, dabei hatte sie keinen der Gegenstände je zuvor gesehen.
Da war eine Glasmacherpfeife, ein hüftlanges Rohr, das zur Hälfte aus Eisen und zur anderen Hälfte aus Holz bestand. Das eiserne Ende wurde ins Glasbad getaucht und so lange gedreht, bis genug Glas aufgenommen war und man durch das Blasen ins hölzerne
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