Der Duft Der Wüstenrose
noch zwei Stunden, bis die Sonne untergeht«, ließ sich John vernehmen und zeigte zu dem Regenbogen, dessen Farben langsam verblassten. »Wir sollten alles über die Bäume zum Trocknen hängen.«
Erleichtert darüber, dass es jetzt Wichtigeres als ihren Geisteszustand gab, ging Fanny sofort auf Johns Bemerkung ein. »Und ich werde das Dreibein aufbauen. Hoffentlich sind unsere Zündholzer nicht alle nass geworden. Wir sollten heute Abend etwas Nahrhaftes zu uns nehmen, meinst du nicht, Ludwig? Wolltest du uns nicht ein Gnu schießen?«
»Die sind längst über alle Berge.« Er sah trotzdem voller Hoffnung über die Ebene hin. Fanny folgte seinem Blick, konnte aber auch nichts entdecken.
Schade, dachte sie, eine Jagd hätte Ludwig ihren seltsamen Auftritt vergessen lassen. Seufzend suchte sie nach den Zündhölzern, die in einer wasserdichten Lackschatulle verstaut waren. Voller Spannung öffnete sie die Schatulle. »Trocken!«, rief sie. »Männer, sie sind trocken!« Niemand schien ihre Freude darüber zu teilen. Trotzdem machte sie sich daran, das Dreibein aufzubauen und das Kochgeschirr aus der vorderen Kiste zu holen.
John, Ludwig und Hendrik banden das Vieh los und trieben es ein Stück weiter, wo Hendrik es erst an einer großen Pfütze trinken ließ und sich dann daranmachte, den Kraal für die Nacht zu bauen.
Als Fanny alles fertig aufgebaut hatte, wurde ihr klar, warum niemand ihre Freude über die Zündhölzer geteilt hatte. Holz, sie brauchten Holz, was jetzt natürlich nass war.
Enttäuscht hockte sie sich neben das Dreibein, ohne sich auf die matschige Erde zu setzen. Ihr knurrte der Magen mehr als sonst. Sie hätte allein ein halbes Gnu vertilgen können. Aber ohne Feuer gab es nur Zwieback und kalte Dosenbohnen.
Das Wasser war mittlerweile von der Anhöhe weggesi ckert. Überall sah man Schlieren, wie kleine Flussbetten, die das Wasser auf seinem Weg über die trockene Erde gegraben hatte. Am Rand der Anhöhe hatte das Wasser die Erde vollkommen unterspült, sodass ein Stück gefährlich überstand und beim Betreten sicher heruntergebrochen wäre.
»Was ist los?«, fragte John, der unbemerkt neben sie getreten war.
»Holz«, antwortete Fanny missmutig und schaute zu ihm hoch. »Ohne trockenes Holz gibt es kein Feuer.« Auf einmal war sie nicht nur hungrig, sondern auch entsetzlich müde.
Er ging neben ihr in die Hocke und hielt ihr ein merkwürdiges, gelbes, fingerlanges Gebilde hin.
»Was ist das?«
»Eine Buschmannkerze. Wir zünden sie an und bekommen damit auch feuchtes Holz zum Brennen.« Er legte die Hülse auf ihren Handteller und schloss sanft ihre Finger darum. Es fühlte sich an wie die kühlen Wachskerzen, die im Kloster für die Seelen der Toten angezündet wurden.
»Eine Buschmannkerze?«
»Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen, wo sie wachsen.« Er erhob sich und reichte Fanny seine Hand. Sie griff mit der freien Hand nach seiner und ließ sich von ihm hochziehen. Dann stand sie direkt vor John, blickte unwillkürlich auf die dunklen Haare auf seinem Brustkorb, die sich durch das nasse, weiße Hemd hindurch abzeichneten, und musste ihren Blick abwenden, weil sie spürte, dass sie mochte, was sie da sah.
Er flüsterte etwas. »Der Mann, der mit den Termiten redet, achtet die Frau, die mit dem Regen spricht.«
Ludwig ritt wieder heran und sprang aus dem Sattel. John ließ ihre Hand sofort los und ging einen Schritt zurück. Ludwig legte seinen Arm fest um Fanny und fixierte John. »John, Hendrik braucht deine Hilfe.«
John ging ohne Zögern. Fanny öffnete ihre Handfläche und zeigte Ludwig die hohle, glatte gelbe Hülse.
»Was ist das?« Ludwig nahm es in die Hand.
»John sagt, damit können wir auch das feuchte Holz zum Brennen kriegen. Sie nennen es Buschmannkerze.«
»John kennt sich wirklich gut aus.« Ludwigs Anerkennung kam etwas widerstrebend. »Hoffen wir, dass er recht hat. Wollen wir mal sehen, ob wir brauchbares Holz finden.« Er zog sein Taschenmesser heraus und lief zu den Bäumen hinüber.
Fanny wollte mit Ludwig mitgehen, aber ihre Schuhe waren tief in der mittlerweile zähen lehmigen Erde versunken und blieben so fest stecken, dass sie auf Strümpfen weiterstolperte, um nicht mit dem Gesicht voran in den Matsch zu fallen. Sie unterdrückte einen Fluch.
Ludwig drehte sich zu ihr um und lachte aus vollem Hals, dann eilte er sofort zu ihr und half ihr hoch. »Und das, meine Liebe, ist nur der Vorgeschmack auf das, was die Ochsen in den nächsten Tagen leisten
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