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Der Duft Der Wüstenrose

Der Duft Der Wüstenrose

Titel: Der Duft Der Wüstenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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wollte sie mit Gewalt besitzen. Als ob er sie für etwas bestrafen wollte. Irgendwann hatte sie resigniert. Sie hätte sich wehren sollen, aber sie war zu feige gewesen. Der Gedanke, dass Hendrik oder John etwas von ihrer Demütigung mitbekommen könnten, hatte sie lieber stumm bleiben lassen. Und stumm hatte sie in den gleichen blinkenden Nachthimmel gestarrt, der ihr doch in der Nacht ihrer Ankunft so voller Verheißung erschienen war. Die Sterne schillerten genauso schön und nah wie damals, und doch kamen sie ihr vor wie spöttische, bösartige Göttinnen, die Ludwig aus der Ferne Beifall zu seinem Tun spendeten.
    Nachdem er erschöpft über ihr zusammengebrochen war, hatte er den Anstand gehabt, sich zu entschuldigen. Er wüsste nicht, was über ihn gekommen sei, es müsse wohl die verdorbene Jagd gewesen sein und der Rum. Doch er war eingeschlafen, ohne abzuwarten, ob sie ihm verzieh, was sie so rasend vor Zorn machte, dass sie stundenlang wach neben ihm lag. Denn sie vergab ihm nicht, auch wenn sie sich ein wenig schuldig fühlte, schließlich hatte sie ihn am allermeisten betrogen. Sie glaubte allerdings kein Wort seiner Erklärung. Die Jagd hatte nur wenig damit zu tun. Nein, sie hatte den Verdacht, dass sie ihm bei dem Unwetter Angst gemacht hatte und er sich mit seinem Verhalten beweisen wollte, dass er ihr Herr und sie nur eine ganz normale Frau war. Seine Frau, die er, wann immer er es wollte, besitzen konnte. Und er hatte absichtlich so laut herumgestöhnt, damit auch Hendrik und John verstanden, wer der Herr im Hause war. Kaum vorstellbar, dass sie danach tatsächlich noch eingeschlafen war und so schöne Träume gehabt hatte. Wieder stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.
    Sie musste sich dringend erleichtern, stand auf und kletterte leise vom Karren, in der Hoffnung, ihren Mann nicht aufzuwecken.
    Der Boden unter ihren Sohlen fühlte sich wieder fester an als noch vor ein paar Stunden, und in der Luft lag etwas vollkommen Neues. Der Geruch erinnerte sie an die Heuernte in Reutberg. Auf dem Rückweg wäre sie beinahe mit John zusammengestoßen, weil sie auf ihre Füße geschaut hatte. Das Blut schoss ihr ins Gesicht, als sie sich wieder daran erinnerte, wie laut und brutal Ludwig gewesen war. Vor lauter Scham fiel ihr nichts ein, was sie sagen könnte. Gut, dass es so dunkel war und ihre flammenden Wangen so für John unsichtbar blieben.
    »Sie haben geträumt«, stellte er fest.
    »Tut das nicht jeder?«, fragte sie und sah sich unwillkürlich nach Ludwig um, doch er schlief regungslos.
    »Träume sind sehr wichtig«, erklärte John, »denn in unseren Träumen reden wir mit den Ahnen. Wir Zulu sagen, wir wissen nicht, wo es begann und wo es enden wird. Wir sind immer noch so unwissend wie zu der Zeit, als wir in den Leibern unserer Mütter waren.«
    Fanny war verblüfft. So hatte John noch nie mit ihr gesprochen. Er klang wie ein anderer Mensch, sogar seine Stimme war verändert, noch weicher, dunkler und singender. Sie wollte ihn so viel fragen, doch John redete weiter.
    »Wir wissen nicht, was wir damals in den Leibern unserer Mütter sahen, was wir tranken oder aßen. Ebenso wenig wissen wir, wo wir enden werden. Das Äußerste, was wir kennen, sind unsere Ahnen. Und die treffen wir meist nur in unseren Träumen. Zu einigen von uns sprechen die Ahnen andauernd, sogar aus Bäumen und Schatten und Tieren und Steinen. Und manche von uns können sogar mit diesen Ahnen reden, so wie meine Mutter, inyanga yemilozi .«
    »Ihre Mutter?«, fragte Fanny nach.
    »Ja, meine Mutter ist eine Zulu und eine magische Frau. Keine umthakathi , keine Schwarzzauberin, sondern eine ubunyanga , eine Medizinfrau, die mir viel beigebracht hat. Aber leider nicht alles, denn ich stehe nur auf einem Zulubein, mein anderes ist ein geborgtes Europäerbein.«
    Sie sah ihn jetzt so breit grinsen, dass seine Zähne in der Dunkelheit aufblitzten.
    »Ich verstehe nicht …?«
    John lachte jetzt. »So nennt das meine Mutter. Sie meint damit, dass mein Vater ein Deutscher war, ein Christ, und deswegen ist mir quasi die Bibel wie ein hemmender Klotz ans andere Bein gebunden. Wie könnte ich da ein wahrer Zulu-Zauberer sein? Aber darüber wollte ich gar nicht sprechen, sondern ich möchte erfahren, wovon Sie geträumt haben.«
    Fanny, die gedacht hatte, dass John mit seiner Frage nach den Träumen nur ihre Verlegenheit überspielen wollte, war nach allem, was er ihr gerade erklärt hatte, jetzt sicher, dass er es wirklich wissen

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