Der Duft Der Wüstenrose
geeignet war, war sie barfuß gegangen, so wie die Eingeborenen, und sie hatte sich geschworen, in Keetmanshoop als Erstes vernünftige Lederstiefel zu besorgen – egal, was Ludwig dazu sagen würde.
Als ob der dauernde Regen und der ständige Hunger nicht schon genug gewesen wäre, wurde sie am Morgen des zweiten Tages auch noch von einem Skorpion gestochen. Zu ihrem eigenen Ärgernis hatte sie vor Schmerz laut aufgeschrien, sodass Ludwig sofort gemerkt hatte, was passiert war. Er hatte sie unter lautem Fluchen auf den Karren gehievt, wo sie dann auch noch ohnmächtig geworden war. Als sie wieder aufwachte, hatte man den Stoff des Hosenbeins aufgeschnitten, weil ihr Bein unförmig dick angeschwollen war. Sie fühlte sich so wirr im Kopf, dass sie Fieber haben musste. Ludwig opferte den letzten Rum, tränkte Tücher damit, legte sie auf ihre Wunde und verdammte sie dazu, ganz ruhig auf dem Karren zu liegen, damit sich das Gift nicht noch weiter in ihrem Körper ausbreiten konnte. Trotzdem stieg das Fieber, sie bekam Schüttelfrost, und ihr Bein wurde noch dicker. Ludwig war gleichermaßen besorgt und gereizt, als sich ihr Zu stand einfach nicht bessern wollte.
In ihren immer gleichen Fieberträumen sah Fanny stets einen lachenden Skorpion, dessen Augen aus einer ihrer afrikanischen und einer Zauberperle bestanden. Beim Lachen fielen ihm die Augen heraus, rollten davon und hinterließen eine blutige Spur, die zu einem Wald voller Omumborombonga -Bäume führte. Obwohl Fanny an dieser Stelle starr vor Entsetzen war und wusste, dass sie der Spur nicht folgen sollte, tat sie genau das. Im Wald entdeckte sie dann eine weiße Frau, die mit einem schwarzen Mann kämpfte. Fanny wollte rufen, dass sie sofort damit aufhören sollten, aber sie brachte keinen Laut hervor. Dann wollte sie hinrennen, wusste, sie sollte sie warnen, doch sie versank in der zähen Erde und kam nur quälend langsam vor wärts, und wenn sie endlich dort anlangte, waren die Menschen verschwunden und nur noch der Wald da. Und dieser Wald sah plötzlich aus wie der, der rund um das Kloster Reutberg wuchs. Nichts als Tannen, Fichten, Buchen und sogar Eichen, die sich im Wind schüttelten und deren Blätter rauschten. An dieser Stelle erwachte sie jedes Mal und fühlte sich noch kränker als davor. Sie war allein, denn Ludwig schlief nicht bei ihr auf dem Karren, ganz so, als ob sie ihn anstecken könnte. Wasser tropfte durch die Planen des Wagens auf ihr Gesicht, das von Mücken umschwirrt wurde. Sie war zu matt, um sie zu vertreiben, zu müde.
»Frau Charlotte«, flüsterte eine Stimme, als sie gerade wieder aus einem dieser schrecklichen Träume erwachte und mühsam versuchte, sich zurechtzufinden.
Es war offensichtlich noch Nacht, und es hatte aufgehört zu regnen. Zuerst war sie nicht sicher, ob die Stimme aus der Dunkelheit ihres Traumes kam, aber dann erkannte sie, dass es John war. Was machte der an ihrem Krankenbett mitten in der Nacht?
»Ich habe eine Medizin für Sie. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich sie über Nacht auf die Stichwunde auftragen und morgen früh, bevor Ihr Mann erwacht, wieder wegnehmen. Und das hier sollten Sie trinken. Ich bin sicher, es wird Ihnen guttun.«
»Mir ist alles einerlei«, murmelte Fanny. Sie war zu matt, um zu widersprechen.
John kniete sich neben sie und betastete ihr geschwollenes Bein so sanft, dass es sich anfühlte, als striche er mit Federn darüber. War das ein Traum? Dann wurde etwas Kaltes, Schweres auf ihr Bein gestrichen, wieder so behutsam, als könnte sie unter der Last des Breis zerbrechen. Schließlich wurde der Brei mit einem Stofffetzen fest an das Bein gepresst.
»Das ist ein altes Heilmittel«, erklärte John. »Es sind die zerstoßenen Blätter einer Pflanze, die jeder in Afrika bei Skorpionstichen verwendet. Deshalb hat sie auch so viele Namen, ihr Deutschen nennt sie ›Wart ein bisschen‹, für Hendrik ist es arohaib, und meine Mutter benutzt den Herero-Namen omukaru . Es wird das Gift aus Ihrem Bein ziehen.« Er rutschte nun neben ihren Kopf, verscheuchte die Moskitos und reichte ihr eine Kalebasse. »Das hier sollten Sie trinken. Es ist aus der Wurzel der omukaru und wirkt gegen die Schmerzen und das Fieber.« Er half ihr beim Aufrichten und stützte ihren Kopf mit seinem Arm, sodass sie besser trinken konnte. Er roch nach grünen Melonen und gerösteten Nüssen, ganz anders als Ludwig. Sie sollte das nicht trinken, ihr Mann war der Arzt, nicht John.
»Sie können mir
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