Der Duft Der Wüstenrose
als hörte sie Flüstern und Schluchzen. Aber ihr Verstand sagte ihr, dass es sicher nur die Nachtgeräusche hier im Süden waren oder die Kameldornbäume, die rechts und links von der Veranda standen und die im Wind ächzten und stöhnten.
Leider konnte man wegen des Dachs den tröstlich schillernden Nachthimmel nicht sehen. Sie stand also wieder auf und ging in den Vorgarten, wo sie sofort von Moskitos umsurrt wurde. Doch das machte ihr nichts aus, denn diese Stiche waren lächerlich im Vergleich zu dem, was ihr mons tröser Ehemann ihr gerade angetan hatte.
Sie setzte sich auf den sandigen Boden und sah all die blinkenden Sterne, die zum Greifen nah waren. Das Blinken verschwamm, weil ihr die Tränen in die Augen stiegen. Zum Glück erst jetzt, dachte Fanny. Niemand sollte sie so sehen. Das hatte sie sich vor langer Zeit geschworen, dieser letzte Rest an Würde gehörte allein ihr.
Sie berührte ihr Glasperlenarmband. Es hatte sie hierhergeführt, aber warum? Fanny wischte sich die Tränen vom Gesicht und seufzte tief. Nein, sie bereute nichts, denn ein Teil von ihr fühlte sich in diesem Land zu Hause. Allerdings war sie froh, dass sie und nicht Charlotte die Ehe mit diesem Mann eingegangen war. Es hätte ihre Freundin langsam und qualvoll umgebracht und all ihre Ideen von Liebe zerstört.
Aber mich, dachte sie, mich bringt er nicht um. Mich wird nichts und niemand davon abhalten, herauszufinden, was es mit meiner Herkunft auf sich hat.
12
G race und Martha staunten, als sie in der Dämmerung in die Küche kamen und dort Fanny schon vorfanden. Fanny hatte nicht geschlafen und beschlossen, dass Arbeit die beste Medizin war. Zuvor hatte sie sich angekleidet und frisiert und bei einem Blick in den Spiegel festgestellt, dass ihr die nächtliche Demütigung nicht anzusehen war.
Sie hatte das Feuer im Herd entfacht, Tee gekocht und für sich selbst Rühreier zubereitet, die ihr sehr gut schmeck ten, obwohl sie geglaubt hatte, keinen Bissen herunterbringen zu können. Nun knetete sie voller Zorn den Brotteig, um sich abzureagieren, und übergab ihn Martha zum Backen. Danach machte sie sich auf zu ihrem morgendlichen Rundgang zu den Hühner- und Lammställen. Seit der Hühnerstall regelmäßig ausgemistet wurde, stank er nicht mehr so penetrant, und es war einfacher, die Eier zu finden. Bei jedem Ei, das sie in ihren Korb legte, dachte sie daran, wie sehnlichst sich Ludwig Kinder wünschte – nein, nicht Kinder: Söhne.
Sie hatte nicht die mindeste Vorstellung, wie Ludwig sich heute benehmen würde, und das machte sie nervös. Sie sah nach den Lämmchen, griff sich aus einem Impuls heraus eins mit blonden Löckchen, drückte es an sich und vergrub ihre Wangen in seinem weichen Fell. Erst als es ungeduldig blökte, setzte sie es wieder auf den Boden und ging zurück zum Haus, um Frühstück für Ludwig zuzubereiten.
Er kam, als sie gerade den Tisch auf der Veranda für ihn deckte. Als er sie bemerkte, blieb er stehen, zwirbelte seinen Schnurrbart und sagte dann mit einem anerkennenden Schnalzen: »Fesch siehst du aus! Ich dachte ja, ich hätte dich etwas hart rangenommen letzte Nacht, aber wie es scheint, ist es dir gut bekommen.« Er trat näher, klopfte auf ihr Hinterteil und setzte sich an den Tisch.
Sprachlos starrte Fanny ihren Mann an, spürte, wie etwas Saures in ihren Mund schoss, dann kamen die Rühreier wieder hoch, so schnell und unerwartet, dass sie es gerade noch schaffte, sich nicht direkt auf den Tisch zu übergeben.
»Charlotte, was soll denn das?« Angeekelt rief Ludwig nach Grace, damit sie die Schweinerei wegmachte. Aber dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht, und er sah Fanny durchdringend an. »Bist du etwa schwanger?« Er schob ihr einen Korbstuhl unter und hielt ihr seine Teetasse hin. Sie schüttelte den Kopf. Von Ludwig würde sie nichts annehmen.
»Nein«, flüsterte sie. »Ich bin nicht schwanger. Wie auch? Ich glaube nicht, dass irgendeine Frau auf der Welt auf diese Art ein Kind empfangen kann. Du widerst mich an!«
Sie stemmte sich hoch und floh von der Veranda in ihr Schlafzimmer. Sie würde hier nicht mehr schlafen. Nicht das Zimmer mit ihm teilen.
Er war ihr gefolgt. »Charlotte, vielleicht war ich gestern doch etwas zu ungestüm.« Er breitete die Hände aus wie ein Priester, der Gott anruft. »Aber du kannst einen Mann auch rasend machen. Du musst dich einfach besser benehmen, mehr so, wie es einer Ehefrau ansteht.«
Was für ein Irrsinn, dachte Fanny, er glaubt
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