Der Duft Der Wüstenrose
Zulubein aus Ihnen? Oder haben Ihre Ahnen Ihnen das eingeflüstert?« Fanny entzog ihm ihre Hand. Was redete sie da für einen Unsinn! Sie sollte sich lieber um das Kind kümmern. »Nun, das ist jetzt egal«, fuhr sie deshalb hastig fort. »Ich fürchte, man muss diesen Fremdkörper entfernen, aber ich weiß nicht, ob ich das kann und ob nicht genau das der falsche Weg ist.«
»Was auch immer Sie tun, ich weiß, es wird das Richtige sein.«
Sie fragte sich, was Ludwig tun würde, aber was ihr durch den Kopf schoss, war wenig hilfreich, denn Ludwig hätte sich geweigert, das Mädchen auch nur anzuschauen. Es missfiel ihm schon sehr, dass sie die Eingeborenen, die zur Farm gehörten, behandelte. Fremde Schwarze hätte er sofort abgewiesen, mit der Begründung, dass dies nur eine Verschwendung teurer Medikamente sei.
Das Mädchen stöhnte laut und wand sich heftiger.
Und wenn das ihr Kind wäre? Fanny war klar, wenn sie nichts unternahm, würde es sterben. Sie musste es versuchen, auch wenn es ihr vielleicht nicht gelang und man sa gen würde, dass die weiße Frau die Tochter eines Häuptlings getötet hat. Was gab es da zu zögern, zu was für einem Feig ling war sie in der kurzen Zeit ihrer Ehe schon geworden?
Sie setzte sich endlich in Bewegung, suchte nach Chinin, um es gegen die Schmerzen und das Fieber zu verabreichen, und nach Borwasser zum Desinfizieren der Wunde. Außerdem brauchte sie ein Skalpell. Vorher musste sie den Fuß noch waschen. Sie rief nach Martha, dass sie ihr Wasser heiß machen und frische Handtücher bringen solle, dann wandte sie sich wieder an John. »Sie müssen sie festhalten, denn ich habe nichts, um sie zu betäuben. Keinen Äther, kein Chloroform.« Fanny hielt inne, es war schrecklich, der Kleinen noch mehr Schmerzen zuzufügen. Rum, fiel ihr ein, es gab noch etwas Rum in der Vorratskammer. Den hatte sie zwar für einen Rumtopf aufbewahrt, aber dann musste er eben geopfert werden.
Sie rief nach Grace und beauftragte sie, ihr den Rum zu bringen. Dann zog sie eine Schürze über, denn wenn sie das Skalpell ansetzte, würde es sicher spritzen.
Grace kam ausnahmsweise schon nach kurzer Zeit zurück und brachte den Rum, den Fanny dem Mädchen einflößte. Fanny hoffte, dass sie ihn nicht gleich wieder erbrechen würde.
Dann kam auch Martha mit dem Wasser und den Handtüchern. Martha und Grace blieben stehen und waren begierig darauf zuzuschauen, aber Fanny schickte sie weg.
John half ihr, den Fuß von Kajumba zu waschen und abzutrocknen.
Keiner sagte ein Wort. Nur das unruhige Keuchen des Mädchens war zu hören. Fanny wusch auch ihre Hände noch einmal, dann nahm sie das Skalpell in die rechte Hand, packte den Fuß mit der linken und spürte, wie das Armband an diesem Arm plötzlich tonnenschwer wurde, als wollte es sie daran hindern, das zu tun, was sie vorhatte. Unsinn. Sie schüttelte den linken Arm einmal aus.
Einbildung.
Nein, der Arm blieb schwer und wurde noch schwerer. Was kümmerte sie das, sie brauchte nur den rechten Arm. Sie hob wieder ihre Hände, um mit der linken den Fuß zu halten und mit der rechten das Skalpell anzusetzen, aber der linke Arm war jetzt wie gelähmt. Fanny rann der Schweiß den Rücken herunter, und ihr Herz pochte laut in ihren Ohren, vermischte sich mit dem Stöhnen des Mädchens. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?
John warf ihr einen merkwürdigen Blick zu, kam näher, ergriff ihren linken Arm und fasste nach dem Armband.
»Nein, das geht nicht!«, sagte sie, widersetzte sich aber zu ihrer eigenen Verblüffung nicht.
Niemand hatte es je geschafft, ihr das Wichtigste in ihrem Leben wegzunehmen, sie hatte die Perlen stets wie eine Löwin verteidigt. Noch nie hatte sie selbst das Armband ausgezogen, nicht seit sie denken konnte, auch nicht unter den schlimmsten Züchtigungen von Seraphina. Nur ein einziges Mal war es von ihrem Arm gerutscht, damals bei ihrer Ankunft in Keetmanshoop.
Und nun stand sie hier wie versteinert und sah zu, wie John ihr Perlenarmband herunterstreifte und dem Mädchen in eine Handfläche legte, dann dessen Finger darüber schloss und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
Schließlich nickte er Fanny zu. Fanny fühlte sich wie nackt ohne die Perlen. Doch als sie ihre Hände wieder hob, durchströmte sie eine unglaubliche Energie, und ihre Arme fühlten sich wieder gleich schwer an. In diesem Augenblick wusste sie, dass Kajumba überleben würde. Deswegen wagte sie es, mit dem Skalpell vorsichtig in die Haut des Mädchens
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