Der Duft Der Wüstenrose
mit angehaltenem Atem, ob John noch etwas dazu sagen würde.
»Mein voller Name ist John Amandla Dumisani Madiba.«
Fanny seufzte, überrascht und erleichtert, dass diese gefährliche Klippe umschifft war. »Haben die Namen eine Bedeutung?«, fragte sie.
»John ist der Name, den mein Vater, ein Deutschholländer, mir gegeben hat. Madiba ist der Clanname meiner Mutter. Amandla bedeutet Kraft oder Energie auf Zulu, und Dumisani heißt Ehre.«
»Und welchen Namen von Ihren vielen Namen mögen Sie, John Amandla Dumisani Madiba, am liebsten?« Es be reitete ihr Vergnügen, all seine Namen zu wiederholen, und sie hätte gewettet, dass ihr dabei kein Fehler unterlaufen war. Gleichzeitig machte es sie nervös, dass John ihr immer noch nicht verraten hatte, wohin sie fuhren.
John zuckte mit den Schultern. »Welchen Namen mag ich am liebsten? Das ist so, als würden Sie mich fragen, welches meiner Beine ich lieber hätte, das rechte oder das linke.« Er grinste sie an und versuchte, ihren Blick festzuhalten. Fanny sah weg. Sein Lächeln fand einen Weg in ihre Brust und brachte etwas in ihr zum Vibrieren.
John fuhr nun langsamer, doch weit und breit waren keine Kraale zu sehen.
»John Amandla Dumisani Madiba, verraten Sie mir endlich, wo wir hinfahren! Wo sind die Kranken?«
»Es gibt keine.« John sah sie verlegen an. »Es tut mir leid, dass ich kranke Kinder als Vorwand benutzt habe – ich hoffe, Sie können mir verzeihen. Aber ich wusste, Sie würden sonst nicht mitkommen, und was ich Ihnen zeigen möchte, wird sehr hilfreich für Sie sein. Vergeben Sie mir?« Diesmal gelang es Fanny nicht, seinem Blick auszuweichen. Seine Augen brachten etwas in ihrem Bauch zum Schmelzen, etwas, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass es da war. Ihr wurde heiß.
»Was machen wir hier?« Fanny war klar, dass Ludwig von diesem Ausflug niemals erfahren durfte. Es war eine Sache, sich seine Missbilligung für die Heilung von Kranken und die Verschwendung von Chinin an Schwarze zuzuziehen. Aber eine Fahrt ins Blaue mit John, die würde Ludwig nicht nur missbilligen, sondern die würde ihn rasend machen.
»Es ist eine kleine Überraschung, meine Art, Danke zu sagen für Ihre Hilfe.«
»Das geht nicht. John Amandla, der Ehrenvolle, bringen Sie mich sofort zurück.«
»Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung, niemand wird etwas anderes erfahren, als dass Sie einen Krankenbesuch gemacht haben. Das verspreche ich.« John trieb die Pferde wieder stärker an.
Fanny wurde wütend – und bekam Angst. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, welche Strafe sich Ludwig für sie einfallen lassen würde, sollte er je etwas von dieser Unternehmung erfahren. »Ich will zurück, ich befehle es!«
»Wir sind schon da. Lassen Sie sich überraschen.« John zeigte nach vorne auf etwas, das aussah wie ein Hügel, auf dem große Felsblöcke und Steinbrocken verteilt waren. Dazwischen wuchsen in großen Abständen seltsam aussehende Bäume.
Neugier und Ärger kämpften in Fanny um die Vormachtstellung. Schließlich gewann ihre unersättliche Neugier, und Fanny gab ihren Widerstand endgültig auf.
Kurze Zeit später erreichten sie den Steinhaufen. Aus der Nähe erkannte Fanny, dass es gigantische rotbraune und schwarze Felsbrocken waren, die teils aufeinandergetürmt waren, teils einfach nur herumlagen. Zwischen den Felsbrocken wuchsen Bäume mit rissigen Stämmen und seltsamen Baumkronen. Sie sahen aus wie Aloengewächse, die man auf Stämme gespießt hatte.
John zügelte die Pferde, hielt den Wagen an, sprang hinunter und reichte Fanny seine Hand.
»Man sagt, dass die Riesen sich hier um das Land gestritten und dabei aus Zorn gegenseitig mit Steinbrocken beworfen haben.«
»Das müssen unvorstellbar große Riesen gewesen sein.« Fanny zog ihre Jacke an und stieg vom Wagen. Besorgt wandte sie sich zur Sonne, die schon bald untergehen würde. Jetzt erst bemerkte sie das vielfältige, sirrende und tirilierende Vogelgezwitscher, das die Luft erfüllte.
»Kommen Sie«, forderte John sie auf, und gemeinsam liefen sie los.
»Was sind das für seltsame Bäume?«, fragte Fanny, fasziniert vom Gezwitscher und der fremdartigen Atmosphäre, die von den Bäumen ausging.
»Die Europäer nennen sie Köcherbäume, weil die Khoisan-Buschmänner die weichen Zweige aushöhlen und die äußere harte Rinde für ihre Pfeilköcher verwenden. Das Holz dieser Bäume ist leicht, außen hart und innen faserig und schwammig, um Wasser speichern zu können. Zum Glück eignet
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