Der Duft Der Wüstenrose
Feuer zu entfachen. Als es ihm endlich gelungen war, wandte er sich wieder Fanny zu. Sie bat ihn um die Arzttasche, die er sofort suchte und nahezu unversehrt im Sand fand. Er verabreichte Fanny etwas Opium, wartete ein wenig, dann schiente er ihren Arm so vorsichtig, dass Fanny kaum etwas spürte.
»Meine Mutter hat mir auch gesagt, dass Sie mein Leben ruinieren werden.« Er stellte die Tasche zur Seite, hockte sich neben sie und stocherte mit einem Stock im Feuer, bis es heftig aufloderte. »Ich habe ihr nicht geglaubt, aber ich kenne Ludwig. Wenn er es herausfindet, wird er außer sich sein, nicht wegen uns. Nein, er ist sich sicher, dass ich seine Frau niemals beleidigen würde, und zum anderen vertraut er seiner Frau, die sich doch niemals mit einem Bastard wie mir einlassen würde.« Im Schein des Feuers konnte Fanny sehen, wie ein bitteres Lächeln über Johns Gesicht huschte, bevor er weitersprach. »Er wird außer sich sein, weil ich die Farm über Nacht allein gelassen habe, während er weg war.«
»Deshalb wollte ich auch um jeden Preis zurück.« Fanny hatte das Gefühl, sie würde nuscheln, das musste das Opium sein.
»Das habe ich nur allzu gut verstanden und deshalb zugestimmt. Doch wir haben es nicht geschafft und dabei sogar noch ein Pferd getötet. Mein Herz ist ein elender Befehlshaber.« Das Letzte murmelte John so leise, dass Fanny nicht sicher war, ob sie ihn richtig verstanden hatte.
»Ich habe mich wie ein ausgemachter Trottel benommen, dumm wie ein isiphukuphuku . Und auch da irrt sich meine Mutter, denn nicht Sie ruinieren mein Leben, das besorge ich ganz allein. Sie hat mir immer eingebläut, wer etwas durcheinanderbringt, muss wissen, wie er wieder Ordnung schafft, und ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Es tut mir leid, dass es so gekommen ist.«
John rückte näher und bettete ihren Kopf auf seinen Schoß. Oder träumte sie das bloß? Was hatte er gesagt, was war es, das sie mit seinem Leben tun würde? Ihr war endlich überall warm, und eigentlich wollte sie John dringend etwas fragen, aber ihr fiel nicht mehr ein, was es war. Irgendwas über Ludwig im Internat, oder war es etwas anderes? John redete unablässig, aber sie verstand nur wenig, sehr wenig. Seine Worte waren wie Blütenpollen, es war schön, dass sie da waren und durch die Nacht flogen, aber sie brauchte sie nicht zu verstehen. Sie waren schön. So schön.
»Fanny …«, flüsterte er. Seit Charlottes Tod hatte niemand mehr Fanny zu ihr gesagt. Jemand strich ihr zart über die Stirn, der Wind? Die Nacht? Die Sterne?
Fanny schloss ihre Augen und fiel in einen schweren Schlaf, aus dem sie erst viele Stunden später aufwachte, weil es in ihrem linken Arm klopfte und pochte, ihre Füße eiskalt waren und ihr der Rücken wehtat.
Trotzdem fühlte sie sich so geborgen wie noch nie in ihrem Leben, denn jemand hielt sie fest und streichelte ihr Haar. Das musste einer dieser Träume sein, dachte sie, in denen man träumt, dass man aufwacht und etwas Merkwürdiges erlebt. Aber der Schmerz im Arm und die Kälte unter ihrem Körper wirkten so echt, dass es kein Traum sein konnte. Als sie sich endlich dazu entschloss, ihre Augen zu öffnen, um sich davon zu überzeugen, wurde sie von dem, was sie vor sich sah, überwältigt.
Im Osten durchschnitt ein feuerfarbenes Band die Dunkelheit in zwei Teile, die sich von dem roten Band nach außen langsam verfärbten, oben wurde es strahlend weiß, unten grau. Und noch immer sah man am schwarzen Himmel glitzernde Sterne. Doch ein Traum!
»Erst wenn dieser Stern auftaucht«, hörte sie Johns Stimme ganz nah an ihrem Ohr, während sein Finger in den blasser werdenden schwarzen Himmel zeigte, »der Indonsakusa , dann naht die Dämmerung. Ihr Weißen nennt ihn einfach nur Jupiter. Der Zulu-Name Indonsakusa bedeutet: ›Was die Dämmerung herbeizieht‹, das gefällt mir viel besser, denn das ist es, was er tut. Ihm folgt der Ikhwezi , der Morgenstern, den ihr Venus nennt.«
Fanny spürte seinen Atem an ihrer Wange und war plötzlich hellwach. Sie drehte den Kopf und stellte fest, dass sie immer noch auf Johns Schoß gebettet war. Er richtete sich gerade wieder auf und sah sie prüfend an. »Wie geht es Ihnen?«
»Haben Sie überhaupt geschlafen?«, fragte Fanny zurück. »In dieser Haltung kann doch kein Mensch ein Auge zutun.«
Fanny richtete sich etwas auf, um ihn besser betrachten zu können. Schwarze Schatten lagen unter seinen merkwürdigen braungrünen Augen, die dunklen
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