Der Duft Der Wüstenrose
heilen. Mit Erleichterung sah Fanny, dass sich auf einigen Wunden schon ein leichter Schorf gebildet und sich nichts entzündet hatte.
Wie unnötig das alles war! Wieder stieg in ihr der Zorn auf Hermann hoch. Er hatte Martha nicht für irgendein Verbrechen bestraft, sondern dafür, dass sie Grace vor ihm beschützen wollte. Ich hätte ihn erschießen sollen wie einen tollwütigen Hund, dachte Fanny resigniert. Jetzt wird er wiederkommen und noch mehr zerstören.
Sie setzte Wasser für Kaffee auf und bat Zach, Eier für ein Omelette zu holen, dann ging sie nach draußen. Ein angenehm kühler Wind umwehte das Haus, rauschte durch die Blätter der Bäume und Sträucher und lockte Fanny die Treppen in den Garten hinunter, wo sie für einen Moment in den wolkenlosen blauen Himmel schauen und fast vergessen konnte, was passiert war. Der vertraute Geruch nach Staub und Honig vertrieb ihre Übelkeit nun endgültig, und sie fühlte sich schlagartig besser.
Fanny ging ein paar Schritte über die trockene, festgetretene rote Erde und genoss die Sonne, die ihren malträtierten Körper sanft mit ihrer Wärme liebkoste. Betrachtete die großen schwarzen Ameisen zu ihren Füßen, hörte das Brummen und Summen der Mücken und das Zwitschern der Vögel. Und mit einem Mal hatte sie wieder ein Gefühl wie an dem Tag, als sie ihren Fuß zum ersten Mal in den Sand von Deutsch-Südwestafrika gesetzt hatte, das Gefühl, als wäre Charlotte bei ihr und umarmte sie. Fanny wusste nicht, wie sie dieses Gefühl nennen sollte, sie spürte nur, dass sie trotz allem hier am richtigen Ort war.
Sie lief zurück zur Veranda, wo Zach mittlerweile den Tisch gedeckt hatte. Während sie auf das Omelette wartete, goss sie sich einen Tee ein und verbrannte sich den Mund, weil sie ihn so hastig hinunterstürzte. Als das Omelette endlich vor ihr stand und der Geruch der gebratenen Eier in ihre Nase stieg, verkrampfte sich ihr Magen, und ihr wurde wieder schlecht.
Bald würde Ludwig zurück sein. Sie versuchte, sich sein Gesicht vorzustellen, aber alles, was vor ihr inneres Auge trat, war sein gezwirbelter Schnurrbart, und als sie an den dachte, fiel ihr Hermann mit dem herunterhängenden Kaiser-Wilhelm-Bart ein.
Es würgte sie wieder. Sie musste aufhören, an dieses Tier zu denken, und sich stattdessen auf ihr Frühstück konzentrieren.
Sie würde Ludwig sofort, wenn er kam, alles beichten: den Schwindel mit Charlotte, die Nacht mit John und dass sie auf Hermann geschossen hatte. Er würde sehr wütend werden, aber vielleicht würde er sich mit der Zeit doch wieder beruhigen und ihr verzeihen. Bis dahin musste sie stark sein, mutig. Jeder hatte eine zweite Chance verdient. Es stand ja schon in der Bibel: Niemand werfe den ersten Stein.
Sie musste es nur schaffen, Ludwig alles zu erklären, sobald er ankam, dann hatte Hermann keine Macht über sie. Denn nur so war es für Ludwig möglich, sein Gesicht zu wahren. Sie konnte sich sogar vorstellen, dass Ludwig Hermann für das verachten würde, was er Grace angetan hatte.
Hör auf, widersprach eine Stimme in ihrem Kopf. Du machst dich lächerlich. Denk doch nur daran, was er dir, seiner eigenen Ehefrau, schon angetan hat. Ludwig wäre nur entsetzt, weil Hermann die weiße Rasse besudelt und nicht, weil er Grace und Martha Gewalt angetan hatte.
Während ihrer Überlegungen hatte Fanny das Omelette in viele Teile zerpflückt, und jetzt zwang sie sich, sie end lich aufzupicken und zu essen. Es musste gut gehen, schließ lich waren Ludwig und sie hier aufeinander angewiesen. Trotz all seiner Fehler liebte er sie, dessen zumindest war sie sich sicher.
Lautes Hufgeklapper riss sie aus ihren Gedanken, und wenige Minuten später sprang John von seinem Pferd und eilte auf sie zu. Alarmiert sprang Fanny vom Stuhl auf und ging ihm entgegen. Es musste etwas passiert sein. Fanny hoffte sehr, dass John keine neuen Hiobsbotschaften brachte.
»Ihr Mann«, keuchte er, »ist nicht mehr weit entfernt und wird in spätestens zwei Stunden hier ankommen. Allerdings sieht es so aus, als ob er nicht allein unterwegs sei. Jemand treckt mit ihm zusammen.«
Hermann, schoss es durch Fannys Kopf, ganz sicher hatte der ihren Mann abgefangen, um ihm seine Version der Ereignisse zu erzählen, bevor Fanny mit ihm sprechen konnte.
»Ist Hermann bei ihm?«
John zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht, aber es sind zwei große Wagen mehr dabei als bei seinem Aufbruch.«
Fanny stutzte, zwei Wagen mehr, wo sollte Hermann in der
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