Der Duft des Anderen
und unbemerkt von Joachim und Alexander, ging Jan, der sich bei Barbara einquartiert hatte, Tätigkeiten nach, die nichts mit Taxifahren zu tun hatten. Er kümmerte sich um den Verkauf der Mietshäuser, Barbara leistete die Unterschriften, das Geld ging auf ein notarielles Treuhandkonto. Es war genug, dass auch für Jan noch ein Stückchen Geld abfiel, doch Barbara bot es ihm nicht an, das hätte Jan gekränkt. Sie würde es ihm bei Gelegenheit einfach überweisen lassen.
Jan hielt das Ganze für eine Wahnsinnstat, aber Barbara hielt ihm entgegen, dass sie im Gefängnis mit dem vielen Geld ohnehin nichts anfangen könne. Jan glaubte nicht an diese Gefängnis-Geschichte, er glaubte, Barbara habe noch andere Geldquellen und werde sich bei der erstbesten Gelegenheit aus dem Staub machen.
Auch Joachim und Alexander trauten der plötzlichen Ruhe nicht. Nach Saschas Anruf bei Alexander war Funkstille eingetreten, aber sie waren zum Warten verdammt. »Warten auf Godot«, nannte es Alexander. Er war der Ansicht, Sascha habe ihm ein letztes Mal ans Bein pinkeln wollen, und warte nun auf den sonnigen Monat Mai, um seine Frühjahrsgarderobe auszuspähen.
Da erhielt Joachim einen Anruf von seinem Bruder, es gebe Neuigkeiten von Sascha, und Jan werde ihn noch in dieser Woche besuchen. Natürlich glaubte Joachim, dass Jan aus Berlin angerufen hatte. Und natürlich war er aufgeregt wie ein Schuljunge. Jan wollte aber am Telefon nichts Näheres sagen.
»Sag mir wenigstens, ob es gute oder schlechte Neuigkeiten sind«, drängelte Joachim.
»Gute«, räumte Jan ein, »sofern man dieser Sache etwas Gutes abgewinnen kann.«
Eine Woche später trafen sich Joachim und Alexander an einem Sonntagnachmittag vor einem noblen Gasthaus an der Elbstraße. Es lag viel Schnee, aber es war ein sonniger Tag, und viele hatten den schönen Sonntag für einen Elb-Spaziergang genutzt. Alexander hatte seinen Kaschmirmantel der Kleidersammlung gestiftet. Er trug einen todschicken Pelz, sibirischer Wolf, Webpelz, aber hervorragend imitiert. Joachim hatte in seinem teuren Wollmantel richtig schäbig neben ihm ausgesehen und sich einen Fuchspelz zugelegt, ebenfalls eine Imitation.
Jeder, aber auch jeder, drehte sich nach den beiden Männern um, als sie durch die Tür kamen. Alexander und Joachim hängten ihre Mäntel an die Garderobe, und Alexander sagte: »Man kann hinkommen, wo man will, überall fällt man auf. Woran mag das bloß liegen?«
Sie bestellten Aalsuppe, für die das Haus berühmt war und die sich als vorzüglich herausstellte. Doch nicht die Aalsuppe hatte sie hergetrieben, sondern Jans Enthüllungen, die Joachim – darum hatte Jan ihn gebeten – Alexander schonend Stück für Stück in möglichst entspannter Atmosphäre beibringen sollte. Das gehobene und meist gesetztere Publikum würde, so hoffte Joachim, etwaige Wutausbrüche Alexanders dämpfen. Dass Jan herausgefunden hatte, wer Sascha war, hatte er Alexander bereits mitgeteilt. Doch die gute Nachricht war unter Alexanders heftigem Temperament in Stücke gegangen. »Wer ist sie? Den Namen, Joachim, den Namen! Was? Er will ihn nicht sagen? Warum denn nicht? Einen feinen Bruder hast du! Ich weiß schon, er hat sich in das Weibsbild verknallt. Ist es so oder nicht? Ach was, nimm ihn nicht noch in Schutz. Was interessiert einen Hetero ein dreifacher Mörder, wenn er nur Titten hat! Setze ihn unter Druck! Er muss ihren Namen herausrücken, verdammt noch mal!«
Heute, hatte sich Joachim vorgenommen, sollte ihr Gespräch etwas zivilisierter verlaufen.
»Er hat dir immer noch nicht gesagt, wer sie ist, stimmt’s?« Das leise Grollen in Alexanders Stimme war unverkennbar.
»Jan hat seine Gründe, und die will ich dir jetzt darlegen, wenn du mir das gestattest, lieber Alex.«
»Lege dar, lege dar«, kam es unwirsch.
»Zuerst die gute Nachricht. Die Sache mit den fünf Millionen scheint zu stimmen. Jan hat mir versichert, dass sich das Geld bereits auf einem Treuhandkonto befindet. Das ist auch der Grund, weshalb er ihren Namen nicht nennt, denn das ist ihre Bedingung bei der Sache, was man verstehen kann.«
»Verstehen? Ich kann diese Person überhaupt nicht verstehen. Sie hasst mich wie den Leibhaftigen, was auf Gegenseitigkeit beruht, weshalb will sie mir fünf Millionen schenken?«
»Uns, Alexander«, korrigierte Joachim milde. »Jan hat versucht, es mir zu erklären, aber ich fürchte, ihre Begründungen würden dich langweilen.«
»Sie sollte sie lieber einem Nervenarzt
Weitere Kostenlose Bücher