Der Duft des Anderen
vortragen«, stimmte Alexander zu. »Und die schlechte Nachricht?«
Joachim blies sich seine Strähne aus der Stirn und pustete danach in die heiße Suppe. »Nicht eben eine Schlechte – nur überspannt, wie die ganze Angelegenheit. Sie möchte nach unserer Abreise an den Ort unserer Wahl …« Joachim musste bei dieser Formulierung grinsen. »Sie möchte anschließend in deine Wohnung übersiedeln und dort als Alexander Kirch leben – mit anderen Worten, für die Umwelt soll es sein, als seiest du niemals ausgezogen.«
»Kommt nicht infrage!« Mehr Kommentar kam von ihm nicht.
Joachim hatte damit gerechnet, aber das Argument mit den fünf Millionen war noch nicht ausgereizt. »Das ist ihre Bedingung. Wenn du dich stur stellst, dann gibt es auch kein Geld.«
»Soll sie es behalten! Meine Ehre ist so wohlfeil nicht zu haben!«
»Wohlfeil dürfte bei fünf Millionen wohl nicht der passende Ausdruck sein, Herr Professor.«
Alexander hatte seine Suppe aufgegessen, wischte sich mit der Serviette den Mund ab, zerknüllte sie und warf sie wütend in die Terrine. »Du hast dich offenbar bereits an dieses Weib verkauft! Bravo! Aber du bist daran gewöhnt. Deine Ehe mit Monika war ja auch nichts anderes als ein Kuhhandel.«
»Nicht so laut«, flüsterte Joachim. »Die nette grauhaarige Dame da drüben hat dich bereits tadelnd gemustert.« Joachim schenkte ihr ein taufrisches Lächeln, die Dame lächelte zurück. »Immer muss ich deine Unarten ausbügeln, Alex.«
Alexander winkte statt einer Antwort den Ober heran, einen schlanken, dunkelhaarigen Mann, der in seiner roten Kellnerweste wie ein Spanier aussah. Alexanders Lächeln war noch eine Spur herzerfrischender als Joachims. »Ach bitte, junger Mann, bringen Sie mir doch noch eine Portion von dieser Suppe. Sie hat wirklich ausgezeichnet geschmeckt.«
Der hübsche Kellner deutete eine leichte Verbeugung an. »Vielen Dank. Ich werde es dem Koch ausrichten, mein Herr.«
Joachim schnippte mit dem Finger. »Mir auch noch einmal von dieser – ausgezeichneten! – Suppe.« Er sah Alexander an. »Du flirtest mit dem Kellner!«
»Ich habe auf höfliche Art und Weise eine Suppe bestellt, Joachim. Das ist noch lange kein Flirten.«
»Du hast dich genauso verkauft«, knüpfte Joachim ohne Übergang an ihre Auseinandersetzung an. »An die Firma, an unsere spießige Gesellschaft. Sascha hat schon recht, mit dem Geld wären wir wirklich frei.«
»Und Monika?«, hielt Alexander dagegen.
Joachim riss übertrieben weit die Augen auf. »Du sorgst dich um meine arme Frau, Alex? Das kaufe ich dir nicht ab.«
»Ich sorge mich nicht um sie, ich erwähnte sie in ihrer Eigenschaft als Hindernis, lieber Joachim.«
»Sie wird Jan heiraten.«
Joachim war es gelungen, Alexander zu verblüffen. »Jan? Und der würde –?«
»Aus dem gleichen Grund wie ich«, nickte Joachim. »Geld stinkt nun einmal nicht, Geld ist mehr als schnelle Wagen und eine Villa am Meer. Geld ist Unabhängigkeit. Solange wir sie nicht besitzen, Alex, sind wir beide arme Schlucker.«
»Aber die Person wird triumphieren!«, schnaubte Alexander.
»Soll sie doch! Wie lange, glaubst du, kann sie die Fassade von Alexander Kirch noch aufrechterhalten? Und wenn sie im Gefängnis sitzt, dann hast du längst deine eigene Produktionsfirma.«
Alexander wusste, worauf Joachim anspielte: Filmen, sein heimliches Hobby. Etwas Dokumentarfilm, etwas Porno, Darsteller auswählen – in Rio konnte er aus dem Vollen schöpfen – ein bisschen hinter der Kamera, ein bisschen Regie und – wer weiß – auch einmal vor der Kamera seinen leichten Hang zum Exhibitionismus ausleben. Ohne die hiesigen Zwänge wäre das alles möglich, wäre er – frei wie ein Adler!
»Mein Ruf wäre beschmutzt, mein Ansehen vernichtet«, grollte er weiter, aber schon eilten seine Gedanken voraus und beschäftigten sich mit ganz anderen Dingen als der Ehre des Alexander Kirch. »Und die Firma, was wird aus der Firma? Sie werden die Leitung Professor Kampnagel übertragen, eine Katastrophe.« Doch während Alexander noch maulte, weilte sein Blick bereits in einer besseren Welt.
»Eine echte Katastrophe«, stimmte Joachim grinsend zu. Aber in Alexanders Augen sah Joachim die Sonne von Rio brennen.
***
Jan hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, zu Barbara Alexander zu sagen. Seit er in ihrem Haus wohnte, war sie nie wieder Barbara gewesen, jedenfalls äußerlich nicht. Doch obwohl sie als Alexander eine gute Figur machte und ihre Augen
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