Der Duft des Anderen
wenn wir getrennte Schlafzimmer vereinbarten.« Sie kicherte. »Monika ist vermögend. Und im Bett scheint sie dir auch gefallen zu haben, ich sehe das Problem nicht.«
»Ich liebe sie nicht.«
»Joachim liebt sie auch nicht. Mein Gott, Jan, bist du altmodisch! Sie ist eine prima Hausfrau, wird dich mit Apfelkuchen und selbst gestrickten Pulswärmern verwöhnen. Und deiner Mutter kannst du eine fürstliche Datscha im Grunewald spendieren.«
Das gab den Ausschlag! Allerdings behielt Jan den Gedanken für sich. Nach außen spielte er weiterhin den Empörten, doch Barbara schnitt ihm das Wort ab. »Was willst du? Ich mache euch alle vier glücklich, oder nicht?«
»Und du, Barbara?«
»Ich wäre dir dankbar, wenn du mich manchmal Alexander nennen würdest. Ich selbst habe nur einen bescheidenen Wunsch, den du Herrn Kirch bitte vorträgst: Nachdem er und Joachim das Land verlassen haben, mit dem Geld versteht sich, möchte ich in Alexanders Wohnung ziehen – unauffällig natürlich. Jeder soll glauben, der Herr Professor wohne immer noch dort.«
»Du hast die Polizei vergessen«, bemerkte Jan nachdrücklich.
»Nach – sagen wir vier Wochen – stelle ich mich freiwillig. Gib mir vier Wochen in seiner Wohnung, Jan!«
Plötzlich konnte Jan keinen Bissen mehr herunterkriegen. Er wurde blass, legte das Besteck aus den Händen und sah Barbara an, die Frau, die er liebte, die aber keine Frau war, die gute Bilder malte, gern mit ihm lachte und Leute umbrachte. Sie würde jahrelang hinter Gefängnismauern verschwinden. Er wusste in diesem Augenblick, dass er ihr die Entscheidung überlassen würde. Er musste ihr vertrauen, wie sie ihm vertraute. Er könnte sie niemals anzeigen.
»Vier Wochen«, würgte er hervor. »Gut, ich will sehen, was ich tun kann. Dieser Alexander Kirch ist eine harte Nuss.«
»Ich weiß.« Barbara beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund. »Deswegen brauche ich dich.«
Jans Blässe wandelte sich in einen rosigen Hauch. »War das jetzt ein Freundschaftskuss oder ein Liebesbeweis von Mann zu Mann?«, neckte er sie.
»Siehst du«, flüsterte sie, »jetzt hast du mich verstanden.«
»Darf ich den Mann auch einmal küssen?«, fragte er. »Ich habe nämlich inzwischen Erfahrungen gesammelt, als ich Sascha in der Schwulenszene gesucht habe.«
»Und die haben dir gefallen? Willkommen im Club.« Sie packte Jan, drückte ihn in den Sessel und glitt mit ihrer heißen Zunge in seinen Mund. Jan erwiderte leidenschaftlich den Kuss und fand, dass dieser Alexander wirklich ein toller Mann war.
»Wusstest du«, sagte er außer Atem, »wusstest du, dass Sascha die Koseform von Alexander ist? Sowohl die Männliche als auch die Weibliche.«
34
Der Januar schien eine ereignisarme Zeit zu sein, maß man ihn an den Turbulenzen des Dezembers. Der geheimnisvolle Advent-Mörder hatte der Presse am letzten Advents-Samstag einen Strich durch die Rechnung gemacht und ließ auch zum Dreikönigstag nichts von sich hören. Ende Januar kam noch ein kläglicher Zehnzeilennachruf, der sich mit Mutmaßungen abgab und erwähnte, dass die Polizei ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen habe.
In der Tat hatte man sich dort fleißig im Umfeld des Professors umgetan und vertrat inzwischen ebenfalls die Meinung, dass jemand aus seinem unmittelbaren Bekanntenkreis für diese Morde verantwortlich sein müsse. Für die respektablen Mitglieder des Clubs ›Die Freunde‹ fingen die Peinlichkeiten damit erst an, sie erhielten nacheinander Besuch von Inspektor Schirdewahn und Assistent Becker. Becker, der sich bald für einen Schwulen-Spezialisten hielt, was immer er auch darunter verstand, fiel durch indiskrete Bemerkungen auf und machte sich unbeliebt. Je größer die Ermittlungsbeamten den Kreis zogen, desto weniger erfuhren sie. Immerhin gab es eine allen gemeinsame Aussage: Sascha! Der große Unbekannte. Schirdewahn und Becker grübelten, ob diese Aussage einer homosexuellen Verschwörung zu verdanken war oder ob man ihr Gewicht beimessen sollte. Dass der große Unbekannte eine Frau war, hatte ihnen, dank Beckers Feinfühligkeit, niemand auf die Nase gebunden. Sollten sich die Herren Kommissare doch die Zähne an dem Phänomen Sascha ausbeißen.
Selbst Alexanders Schulfreund Bernie, der um dieses Geheimnis wusste, und seine szenekundigsten Schnüffler einsetzte, blieb erfolglos, denn leider hatte er weder in der Kunstszene noch zu der gehobenen Wellingsbütteler Gesellschaft Verbindungen.
Ebenfalls in aller Stille
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