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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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händigte er Alexander aus. »Wir werden fliegen«, sagte er andächtig. »Wir werden wirklich fliegen.«
    »Ich glaube es, wenn wir abheben«, sagte Alexander.
    Sie gingen durch die Kontrolle, sie gingen zu ihrem Gate. Sie setzten sich auf die Stühle und warteten. Und als ihr Flug aufgerufen wurde, stellten sie sich in die Schlange und ließen sich abfertigen, Glanz in den Augen, schweigend. Auf dem Rollfeld stiegen sie in den Shuttle. Als sie ausstiegen und vor dem großen silbernen Vogel standen, blieb Alexander stehen, Joachim kurz hinter ihm. »Siehst du ihn?«, stieß Alexander hervor. »Den Adler?« Er griff nach Joachims Hand. »Kneife mich! Schlage mich! Mein Gott, es ist wirklich wahr! Wir werden frei sein!« Zwei Männer, die auf dem Rollfeld standen und sich lachend und weinend umarmten, bildeten ein jähes Hindernis für die nachdrängenden Passagiere, die verwundert einen Bogen um sie machten.
    Im Flugzeug nahmen sie sich jeder eine Zeitschrift und suchten ihre Plätze auf.
    »Hast du den netten Steward gesehen«, raunte Joachim hinter vorgehaltener Zeitung. »Ein Kerl wie Seide.«
    Alexander schloss seinen Gurt, blätterte die Zeitschrift auf, hob die Augenbrauen und sagte: »Was für ein Steward? Ich achte nicht auf die Domestiken. Aber hast du den Piloten gesehen?«

35
    Über die Ereignisse war es März geworden. Vor dem Apartmenthaus in Pöseldorf hielt ein kleiner Möbelwagen. Zwei Männer in blauen Overalls stiegen aus und meldeten sich beim Pförtner. »Eine Lieferung für einen Herrn Kirch.«
    Der Pförtner rief oben an, und er erhielt die Weisung, die Männer mit den Sachen heraufzulassen.
Hat wohl Urlaub, der Professor
, dachte er,
ist schon zwei Tage nicht zur Arbeit gegangen.
    Hermann machte so seine Beobachtungen, aber er sprach nie über sie. Er beobachtete auch, was da hinaufgetragen wurde. Viele geschlossene Kisten, sie mussten ziemlich schwer sein. Dann kam ziemlich viel Krimskrams, als hätte ein alter Seemann dem Professor seine Hinterlassenschaft vermacht. Hermann spähte durch die Glastür, um zu entziffern, was auf dem Transporter stand: Umzugsspezialist für empfindliche Güter. Dann waren die alten Sachen wohl doch etwas wert.
    Ein nobler Mieter war das, der Professor. Als er ihn vor zwei Tagen gesehen hatte, war er allerdings einfach so vorübergerauscht und hatte nur genickt. War sonst gar nicht seine Art, er grüßte immer. Guten morgen, Hermann, guten Abend, Hermann. Walter, sein Kollege, der ihn im Schichtdienst ablöste, konnte das bestätigen. Hatte wohl viel um die Ohren, der Professor. Vielleicht war ein Verwandter gestorben und hatte ihm die Sachen hinterlassen?
    Hermann machte sich immer seine Gedanken, das durfte er, denn er behielt sie für sich.
    Am nächsten Tag kam Besuch für den Herrn Professor, sein Kollege, der nette Herr von Stein. Hermann brauchte nicht oben anzurufen, der war stets willkommen. Er drückte auf den Summer.
    Jan fand Barbara im Jogginganzug inmitten eines Bücherstapels sitzend, um sie herum in heilloser Unordnung Bilder, Pergamente, Gipsköpfe, alte Türkensäbel, auf abgewetzten Ledersesseln stapelten sich weitere Bücher, da gab es eine Stehlampe wie zu Großmutters Zeiten, an ihr baumelte ein Schrumpfkopf.
    »Hallo Jan!«, lachte Barbara ihn an. »Gut, dass du kommst, du kannst mir helfen, diese Wohnung menschlich einzurichten.«
    Jan stieg vorsichtig über einen Apoll von Belvedere hinweg, räumte von einem Sessel die staubigen Bücher fort und stellte sie auf den Boden. »Wo sind denn Kirchs Sachen?«
    Sie wies mit dem Daumen nach hinten. »Ich habe, soweit es ging, alles in das Schlafzimmer verfrachtet. Auf dem Balkon steht auch noch was.«
    »Ich muss mich wundern«, sagte er und hustete, weil ihm Staub in die Nase gedrungen war. »Du beseitigst seinen geheiligten Hausrat?«
    Sie machte eine verächtliche Handbewegung. »Dieser Drahtverhau! Alles Dinge, die ihm nichts bedeuteten, ich weiß das. Blendwerk für die Spießer. Alexander hätte an diesen alten Dingen hier seine Freude gehabt.« Dabei strich sie zärtlich über den kahlen Kopf eines fetten Buddhas.
    Jan bezweifelte das, aber er schwieg dazu. »Wo hast du das Zeug bloß her? In deiner Wohnung war es jedenfalls nicht.«
    »Das ist kein ›Zeug‹, das sind alles Stücke aus der Bibliothek meines Vaters. Ich habe sie dir nie gezeigt, die Tür war verschlossen und zugehängt. Und ich sehe, ich habe gut daran getan. Du hast keinen Sinn für die Vergangenheit.«
    Alexander

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