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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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so weit nach rechts, dass er Barbaras Schenkel berührte.
    Barbara zögerte kurz, dann lächelte sie zustimmend. »Wenn du Lust hast, warum nicht? Aber damit das klar ist. Ich will keine Bettgeschichte am Schluss.«
    »Es wird nichts passieren, was du nicht willst«, gab Stephan gurrend zurück, während er spürte, dass Barbara den Schenkeldruck erwiderte.
    ***
    Es war halb vier morgens. Barbara entlohnte den Taxifahrer, tappte durch ihren dunklen Vorgarten und tastete hinter den Ranken der Klematis nach dem Lichtschalter für die runde Lampe über der Haustür. Sie war innen voller toter Fliegen, außen voller Vogeldreck und spendete nur trübes Licht. Barbara fummelte in ihrer Hosentasche nach dem Haustürschlüssel. Ungeduldig schob sie ihn in das Schlüsselloch, stieß die Haustür auf und warf sie krachend wieder ins Schloss. »Ja! Ja! Ja!«, schrie sie, knipste das Licht im Flur an und drehte sich vor dem wandhohen Spiegel. Ein hübscher Junge lachte sie an. Und er hatte gefallen, war begehrt worden.
    An der Bar hatte Stephan sie umarmt. »He Sascha, du bist süß«, hatte er geflüstert und sie geküsst. Was für ein unwirklicher Kuss! Nie hätte sie geglaubt – ach was! Es hatte funktioniert. Man konnte Träume leben, wenn man den Mut dazu hatte. Fantastisch!
    Sie ging ins Wohnzimmer und legte den Triumphmarsch aus Aida ein. Während die Fanfaren zu Ehren des Radames erklangen, entblätterte sie sich langsam. Die Perücke flog auf die Couch, sie löste das stramme Tuch über ihren Brüsten. Zum Glück fasste ein Schwuler einem nicht an die Brust, sondern an den Arsch. Zuletzt flog der Gummipenis in die Ecke. Nicht, dass sie einen Griff zwischen die Schenkel geduldet hätte, aber aus optischen Gründen war er unentbehrlich.
    Stephan! Kein Supermann, aber gut aussehend, witzig und nicht dumm. Und momentan der einzige Mann von Bedeutung im ganzen Universum. Beim Tanzen hatte er Barbara an sich gepresst, ihr sein hartes Glied in den Körper gedrückt und Barbara unanständige Dinge ins Ohr geflüstert. »Lass uns zu mir gehen«, hatte er gehaucht, »ich will dich ficken, ich kann an nichts anderes mehr denken.« Stephan hatte die Bedingung ›keine Bettgeschichten‹ für einen Witz gehalten.
    Stephan hatte den schönen Abend dadurch verdorben. Ohne es zu ahnen, hatte er ihr klargemacht, dass sie immer draußen bleiben musste. Diese Tür würde sich niemals für sie öffnen. Hatte sie geglaubt, baden zu können, ohne sich nass zu machen?
    Ich muss mal pinkeln, hatte sie gesagt, und war verschwunden. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken. In BH und Slip huschte sie die Stiege zum Boden hinauf und summte ›I could have danced all night‹. Oben schlüpfte sie sofort in ihren Malerkittel und stöberte in ihrer Rumpelkammer hinter den Bildern, bis sie eine jungfräuliche Leinwand fand. Mechanisch blies sie den Staub fort. Wer konnte jetzt an Schlaf denken? Jetzt musste sie malen. Ein tanzendes Paar, er blond, langes Haar, breitschultrig, der andere dunkel, zierlich, aber die Szene bestimmend, der Blonde ihm verfallen. Mit flüchtigen Strichen verdünnter Ölfarbe entstand die Skizze. Mit vorgeneigtem Körper stand Barbara vor der Staffelei, das Gesicht verkrampft, die Lippen halb offen. Sie merkte nicht, dass sie keine Musik aufgelegt hatte. Immer wieder verwischte sie die Konturen mit dem Lappen, bis sie ihr gefielen. Dann seufzte sie wie nach einer großen Anstrengung und legte die Palette zur Seite. Jetzt fiel die Stille ihr auf, aber ihr war immer noch nicht nach Musik. Sie löschte das Licht und legte sich auf die Couch, durchlebte noch einmal den Abend und verdrängte die bittere Erkenntnis: etwas anderes als ihre Fantasie würde sie niemals besitzen.

8
    Joachim von Stein parkte seinen SL auf dem Mittelstreifen der Esplanade. Es war Freitagabend, die Geschäfte längst geschlossen. Er warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel, lächelte und war mit sich zufrieden. Das gebräunte Gesicht, makellose Zähne, graugrüne Augen, wach und intelligent, die silberblonde Strähne, die ihm gekonnt in die Stirn fiel: ja, er war ein gut aussehender Mann. Ein Hauch Haarspray und regelmäßiger Besuch einer Sonnenbank hatten ein bisschen nachgeholfen – das musste erlaubt sein im Zeitalter der Gleichberechtigung.
    Joachim zog den Zündschlüssel ab, entnahm dem Handschuhfach seine Brieftasche, steckte sie in die Gesäßtasche seiner Jeans und zog den dunkelgrünen Pullover darüber. Auch in der saloppen

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