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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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an. Der Nurejew legte sich aber beim Hüpfen in Kniebeuge rasch auf den Hosenboden. Er rappelte sich wieder auf, alle klatschten, und plötzlich begannen alle auf irgendeine Weise, die sie für russisch hielten, ihre Glieder zu verrenken und ›joi, joi‹ zu schreien. Rosalie schrie: »Attacke, die Kosaken kommen!« Sie hob ihr schwarzes Paillettenkleid. »Hierher, mein fescher Ataman!« Dadurch überhörte sie das Läuten an der Haustür.
    Erst als Kalinka verklungen war, hörte sie es. Sie schüttelte ungehalten den Kopf und winkte mit der Linken. »Joey, geh du doch öffnen, wird dein Alex sein. Ich bin gerade in Stimmung.«
    Joachim hatte seinen Pullover ausgezogen, darunter trug er ein tief ausgeschnittenes Ringerhemd. Rasch leerte er sein Glas und ging auf nicht mehr sehr standfesten Beinen zur Tür. Alexander Kirch, hellgraues Hemd, schwarze Leinenhose, keine Krawatte, sah blendend aus, aber blickte irritiert auf den Trubel und auf Joachim, der halb nackt, verschwitzt und grinsend vor ihm stand. »Was ist denn hier los?«
    »Russischer Abend, Brüderchen.« Joachim fasste Alexander am Arm, schwenkte frivol die Hüfte und versuchte zu singen: »Steh nicht an der Tür, komm doch rein …«
    »denn du bist genau der Mann, den ich liebe«, ergänzte Rosalie, mühelos vom Russischen zum Musical wechselnd, und kam hinter der Bar hervor. »Gut siehst du aus, Alex!«
    »Du auch Rosalie. Neues Kleid?« Alexander Kirch hatte sich gefasst. Ungefähr fünfzehn angeheiterte Männer tanzten Krakowiak oder so etwas Ähnliches, das musste man schließlich erst mal verdauen. Und sich dann schleunigst ebenfalls einen genehmigen. Nüchtern war die Gesellschaft nicht auszuhalten.
    »Du hast es gleich bemerkt. Siehst du, Joey, er hat es gleich bemerkt. – Etwas zu trinken?«
    Rosalie wartete die Antwort nicht ab. Alexander trank Wodka Lemon, wie immer. Und er küsste Luigi zur Begrüßung auf beide Wangen – wie immer. Rein platonisch, behauptete er. Luigi wurde trotzdem rot und lenkte sich wieder mit seinen CDs ab. Diesmal nichts Russisches. Alexander nahm sein Glas. »Setzen wir uns?« Damit meinte er die Sitzgruppen. Joachim nickte.
    »Ein schönes Paar«, seufzte Fred und sah ihnen nach.
    »Und ganz unauflöslich, leider«, stimmte Markus zu, der neben ihm saß, ein junger, schlaksiger Bursche mit blondem Wuschelkopf, beneidenswert braun gebrannt. Seine Freunde nannten ihn Flipper, weil er wie ein amerikanischer Serienheld aussah. Sein Vater besaß ein Spezialitätenrestaurant in Blankenese.
    »Kriselt es nie bei denen?«, wollte Fred wissen.
    Markus zuckte die Achseln. »Wenn, dann zeigen sie es nicht. Sind jetzt, glaube ich, drei Jahre zusammen. Habe schon von Paaren gehört, die es acht Jahre geschafft haben.«
    »Länger, länger«, sagte Fred. »Manche bleiben für immer zusammen.«
    »Aus Gewohnheit, nicht aus Leidenschaft«, sagte Markus, und es lag etwas Bitteres darin. Doch schnell zauberte er wieder ein jungenhaftes Lächeln in sein Gesicht. »Pass auf, Fred, dein Kaffee wird kalt.«
    »Macht nichts, ich trinke ihn auch lauwarm.«
    Markus drehte sich auf seinem Barhocker mit dem Rücken zur Bar, um Joachim und Alexander zu beobachten. Alle im Club waren verrückt nach Markus, nur nicht Alexander, und das war der Einzige, nach dem Markus verrückt war. Tragisch! Natürlich wussten es alle im Club, jeder wusste hier alles über jeden, und wenn er es nicht wusste, bekam er es heraus. Da half es nur, cool zu bleiben und immer über den Dingen zu stehen, denn es war im Club verpönt, Liebeskummer offen zu zeigen. Es hätte allen die Stimmung verdorben, denn wer konnte von sich behaupten, keinen zu haben?
    Auch Joachim und Alexander vertrieben sich damit die Zeit, die anderen zu beobachten. Jeder im Club hatte spezielle Vorlieben, Voyeure waren sie alle. Immer mehr Tänzer fanden sich ein, paarweise oder auch mit einer Solonummer. Der Alkoholkonsum und die Stimmung stiegen. Dann ging das Licht aus, für einige Sekunden war es stockfinster. »Uuuuh«, riefen alle, und Rosalie verkündete: »Mit dem letzten Ton des Zeitzeichens war es zweiundzwanzig Uhr.« Dann schaltete sie die Dimmerbeleuchtung an und verteilte, von Tisch zu Tisch stöckelnd, ihre bunten Pillen.
    Nette Zeremonie, leider jede Woche dieselbe. Markus glitt vom Barhocker und schwebte an Alexander vorbei. »Techno!«, schrie er.
    »Habe ich nicht«, rief Luigi. »Aber Rock ’n’ Roll.«
    »Bloß keine Elvis-Scheibe«, maulte Fred.
    Markus versetzte

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