Der Duft des Anderen
Joachim hinüber, der wandte ihm gerade den Rücken zu. Alexander drehte sich schnell um und küsste Markus auf den Mund. »Vergeltung«, flüsterte er.
Markus machte sich wieder klein und schlich gebückt an Luigi vorbei, der ihm natürlich in den Po kniff und dabei Joachim zuzwinkerte, der aber nicht zurückzwinkern konnte, weil Alexander dort breitbeinig auf dem Barhocker saß und ihn unschuldig angrinste. »Nette Abschiedsparty, was Joey?«
9
Feiner Regen stäubte über die Fahrbahn, im nassen Asphalt spiegelten sich die Leuchtreklamen und die roten Schlieren der Bremslichter. Hinter hastenden Scheibenwischern zerbarst der Scheinwerferstrahl entgegenkommender Fahrzeuge in unzählige Lichtblitze.
Kein Wetter für Autofahrer mit schlechten Augen
, dachte Jan Matuschek,
als er mit seinem Taxi langsam den Kaiserdamm hinauffuhr.
Er selbst konnte ausgezeichnet sehen, gottlob. Ein Pärchen stand aneinander gedrängt unter einen ausladenden Schirm am Ausgang des Busbahnhofs. Jan sah einen heftig winkenden Arm darunter herausragen, er fuhr rechts heran. Die beiden jungen Leute brachten Nässe mit. Was von ihren Schuhen und Mänteln tropfte, wurde dezent vom dunkelblauen Teppich unter den Sitzen aufgesogen. Aber die Nässe des zusammengeklappten Schirms entlud sich in Fülle auf die hintere Sitzbank. Jan verzog keine Miene.
»Zum Alexanderplatz, bitte«, sagte der junge Mann.
Jan drehte den Rückspiegel so, dass er die Frau im Blick hatte. Eine blonde, blasse Maid. Sie lächelte zaghaft, als sie seinem Blick begegnete. Manchmal lächelte Jan zurück. Heute lohnte es sich nicht. Er behielt seine Schlecht-Wetter-Miene bei und reihte sich in den Verkehr ein.
Jan war eine auffallende Erscheinung, groß, fast hager, und er bewegte sich mit einer Geschmeidigkeit, die er sich zweifellos nicht als Taxifahrer erworben hatte. Die Frauen liebten seine graugrünen Augen, seinen sinnlichen Mund und die Falten um seine Mundwinkel, die seinen Zügen jenen arroganten Ausdruck verliehen, der Frauen anzieht. Jedoch das Auffallendste an ihm war sein ungewöhnlich helles Haar; weißblond mit einem silbrig metallischen Schimmer; Lästerzungen sprachen von einer intensiven Tönung, aber sie irrten sich. Jans Haarfarbe war echt.
Jan bog in die Normannenstraße ein; er warf schon lange keinen Blick mehr auf das Gebäude seines ehemaligen Arbeitgebers, vormals das Innenministerium und Zentrale der Staatssicherheit. Nach der Wende war er froh, dass man ihn nicht behelligt hatte. Westliche Agenten dienten dem Vaterland, östliche Agenten waren Verräter, so einfach war das. Angelika, die Frau eines hohen SED-Funktionärs, der heute nicht Taxifahrer war, sondern als PDS-Spitzenmann eine Villa in Kleinmachnow bewohnte, hatte ihn vor dem Kadi bewahrt. Dafür hatte er sie zweimal in ihrer Villa gebumst. Aber Angelika war klein, pummelig und Mitte vierzig, da hatte er die Dankbarkeit nicht übertreiben wollen.
Von den alten Seilschaften hatte er sich gelöst oder die sich von ihm. Einige hatten ihn fallen gelassen wie eine heiße Kastanie, kannten ihn plötzlich nicht mehr, andere waren untergetaucht. Jan war es recht. Die reine Lehre vom Sozialismus hatte abgewirtschaftet, also war seine Vergangenheit nichts, was ihn mit Ruhm bekleckert hätte, aber er stand zu ihr – im Gegensatz zu vielen, die plötzlich schon immer dagegen gewesen waren. Und nun zahlte er den Preis dafür. Er war erträglich, Jan hatte sein Auskommen und seine Ruhe.
Er bremste sanft. »Alexanderplatz«, sagte er und drehte sich um. »Vierundzwanzig Mark fünfzig. Brauchen Sie eine Quittung?« Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass die Frau ihn ansah.
»Fünfundzwanzig, stimmt so.«
Jan nickte. Ein ›Danke‹ rang er sich erst über zwei Mark ab. Der junge Mann verhedderte sich beim Aussteigen, weil er sich nicht entscheiden konnte, ob er zuerst seinen Kopf oder den aufgespannten Regenschirm hinausschieben sollte. Seine Begleiterin rutschte hinterher, ihr scheuer Blick wurde nicht erwidert, Jan kramte im Handschuhfach. Als seine Fahrgäste draußen waren, warf er einen missbilligenden Blick auf die hinteren Sitze, die er einem neuen Fahrgast nur noch in Ölzeug anbieten konnte. Da lag eine Schachtel Marlboro, wahrscheinlich aus der Manteltasche gefallen. Er kurbelte die Scheibe herunter. »Hallo, Sie haben Ihre Zigaretten vergessen!«, rief er matt. Das Pärchen, gegen den Wind unter dem Schirm geduckt, entfernte sich mit eiligen Schritten, hörte nichts.
Jan zuckte mit
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