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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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hingestellt hatte. »Es ist nicht der Alkohol. Ich war zwei Jahre eingelocht.« Er kippte den Doppelten. »Nichts Großes, wollte mit der Kasse von einem Supermarkt abhauen. Ich war auch schon fast draußen, da war diese blöde Ziege …«
    »Wie kann man nur so dämlich sein und einen Bruch begehen«, mischte sich Paul ein. »Du hast doch mit so was gar keine Erfahrung, Erwin.«
    »Ging es dir denn so dreckig?«, wollte Jan wissen.
    »Dreckig?«, wiederholte Erwin gedehnt, als müsse er überlegen. »Gehungert habe ich nicht, aber du weißt ja, wie es war – damals, als sie alle rüber in den Westen machten. Da drüben, das war das Schlaraffenland. Ich wollte eben mithalten. Schließlich haben wir hier über vierzig Jahre darauf gewartet, oder nicht?«
    »Na, übertreibe mal nicht, Erwin«, lächelte Gerda. »Du bist doch noch gar keine vierzig.«
    »Stimmt schon«, murmelte Jan. »Als die Mauer offen war, konnten wir alle sehen, dass sie uns hier belogen hatten.« Er bestellte noch ein Bier.
    »Genau, Jan.« Erwin nickte. »Und du hast seitdem auch keine Reichtümer mit deinem Taxi eingefahren, stimmt’s?«
    »Wir haben auf der falschen Seite gestanden. Verlierer müssen immer einen Preis zahlen.« Jan lächelte. »Vae victis.«
    »So unanständige Wörter kenne ich nicht«, brummte Erwin, dabei sah man ihm an, dass es in ihm arbeitete. Er warf einen Schein auf den Tresen. »Ich muss wieder. War nett, dich zu sehen, Jan.«
    Jan steckte sich eine von den geerbten Zigaretten an und sah Erwin nach.
    »Armer Kerl«, murmelte Paul.
    »Quatsch!«, sagte Jan. »Der war einer von den ganz Scharfen – damals in der II A. Möchte nicht wissen, wie viele der nach Bautzen gebracht hat.«
    »Und du, Jan?«
    Jan zuckte die Achseln. »Keinen, soviel ich weiß, jedenfalls nicht absichtlich. Ich habe keinen denunziert. Dafür wusste ich immer, was Helmut Kohl zum Frühstück aß.« Er grinste. »Für mich ist es auch Zeit.« Jan stieg von seinem Hocker und zwinkerte Gerda zu. »Vielleicht habe ich Glück, und es gibt heute Abend im Fernsehen einen Spionagefilm.«

10
    »War Sascha hier?« Stephan nervte seit Tagen. Toni zuckte nur die Schultern. Zugegeben, dieser Sascha war ein süßer Junge, aber Stephans Art war es sonst nicht, den Männern hinterherzulaufen, stets war es umgekehrt gewesen. »Seit du ihn damals abgeschleppt hast«, sagte Toni, während er Bier zapfte, »hat er sich bei mir nicht mehr blicken lassen. Was war denn an dem Abend? Hast du ihn so miserabel gebumst?«
    »Gib mir einen Pharisäer.« Stephan sah sich in dem gut besetzten Café um. Toni folgte diesem Blick und lächelte. »Der schöne Manrico ist heute da, sitzt hinten.«
    Stephan nickte und ging in den rückwärtigen Raum. Manrico, Sohn eines Pizzabäckers, aber mit einem Flair, als sei er einem Werbefilm für ein verruchtes Parfüm entstiegen, arbeitete als Fotomodell für Unterwäsche. Stephan wusste auch, was Manrico darunter trug.
    Als er gerade auf ihn zusteuern wollte, bemerkte er die Frau neben ihm.
Pech auf der ganzen Linie
, dachte Stephan. Natürlich wusste er, dass Manrico bi war, aber musste er seine neue Flamme ausgerechnet mit hierher bringen?
    Manrico hatte ihn entdeckt und lächelte ihm zu, die kleine Blonde neben ihm sah sich um, Stephan warf ein Küsschen hinüber und wollte sich an einen Tisch am entgegengesetzten Ende setzen, als ihn jemand am Ärmel zupfte. Erich Blume, Travestiekünstler im ›Golden Palace‹, wo er unter dem Namen ›Gräfin Mariza‹ auftrat, bei seinen Freunden bekannt als die Gräfin. »Hallo Stephan. Der Platz neben mir ist ganz zufällig noch frei.«
    Die Gräfin, heute nicht im Kostüm, war angetan mit rotem T-Shirt und weißer Leinenhose. »Frau Gräfin sehen heute wie der Herr Graf aus«, grinste Stephan und setzte sich zu ihm. »Wie läuft die Show?«
    »Meine läuft gut. Deine scheint nicht so gut zu laufen, wie? Na ja, man kommt in die Jahre. Wenn man so um die dreißig ist wie wir beide …« Erich strich seine Augenfältchen glatt, »da wird die Konkurrenz immer größer. Nimmst du eigentlich eine gute Hautcreme?«
    »Mein Problem liegt woanders«, brummte Stephan. »Außerdem bin ich erst neunundzwanzig.«
    »Um die dreißig, sagte ich doch. Mit der Hautpflege kann man gar nicht früh genug anfangen. Manrico ist übrigens erst vierundzwanzig.«
    »Und du bist neununddreißig.«
    »Ha, wie gemein! Das hast du absichtlich so laut gesagt. Na, macht nichts, man sieht es mir nicht an. Bei guter

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