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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Beleuchtung gehe ich immer noch als Dreißigjähriger durch. Wo hat Manrico bloß dieses fade Blondchen aufgegabelt? Nichts gegen bi, aber er könnte wenigstens auf Frauen wie mich stehen, findest du nicht?«
    »Ist mir doch egal, wen Manrico aufreißt. So toll war er auch nicht.« Stephan nickte Toni zu, der den Pharisäer brachte und einen Keks. »Der sorgt sich noch beim Vögeln darum, ob er fotogen aussieht.«
    »Und – sieht er?«
    Stephan knabberte nervös am Keks und musterte jeden Eintretenden. »Ich glaube ja. Äh – kennst du einen Sascha?«
    »Ich kenne mindestens zwei Saschas. Sascha König ist Barmann bei Antony, dem Iren, oder meinst du Sascha, den Kolibri?«
    »Kolibri?«, fragte Stephan abwesend, während er zu Manrico hinübersah, der seiner Begleiterin gerade ein paar Zuckerkrümel von der Wange leckte.
    »Wie ein Kolibri flattert er von Blume zu Blume, um Honig zu saugen, nur an Erich Blume ist er vorbeigeflattert – mein Gott, der Scherz ist alt – du kanntest ihn noch nicht?«
    »Wen? Diesen Sascha Kolibri? Nein, ich glaube nicht, dass wir denselben meinen.« Stephan trank aus, erhob sich und legte Erich die Hand auf den Arm. »Ich muss jetzt gehen. Sehen wir uns Mittwoch bei Kai?«
    »Ich komme, ich komme. Und eine Überraschung habe ich auch für euch. Ihr werdet die Ersten sein, die meinen Grafen Orlowski zu hören bekommen.«
    Stephan lächelte. »Ich kann es gar nicht abwarten.« Erst draußen vor dem Café fragte sich Stephan verwundert, weshalb Erich nicht die Adele sang.

11
    Maria Matuschek stellte die beiden Einkaufstüten auf den Küchentisch und bog seufzend ihr Kreuz durch. Dann setzte sie Kaffeewasser auf und packte die Sachen aus; die Tüte mit den Rosinenschnecken und das ›Grüne Blatt‹ legte sie beiseite. In ihrer Jackentasche war noch ihr Einkaufszettel; abwesend zerknüllte sie ihn und warf ihn in den Mülleimer. Aus dem Wandschrank holte sie einen Kaffeebecher und häufte anderthalb Teelöffel Kaffeepulver hinein. Sie stellte die Dosenmilch dazu und überflog die ersten Seiten der Illustrierten. Bevor sie Näheres über die Sorgen der Prominenz erfuhr, kochte das Kaffeewasser. Sie füllte ihren Kaffeebecher auf, tat Milch hinein und blätterte flüchtig weiter. Es interessierte sie nicht sonderlich, was die Königshäuser oder Popsänger trieben, sie suchte das Kreuzworträtsel. Drei bereits gelöste aus anderen Illustrierten ruhten bereits im Altpapier.
    Jeden Sonnabendvormittag wiederholte sich diese Zeremonie. Maria mochte es, wenn die Dinge vorhersehbar abliefen. In der Woche arbeitete sie halbtags in der Klinik, am Sonntagnachmittag kam Jan meist zum Kaffeetrinken. Sie wohnte noch immer im dritten Stock des Plattenbaues in Marzahn, und in ihrem Wohnzimmer stand die Couchgarnitur, die Dr. Vollrath ihr spendiert hatte, von rostroter Farbe, abgewetzt und durchgesessen. Einer der Sessel hatte mitten auf der Sitzfläche ein Loch, auf dem lag ein flaches Kissen.
    Maria wusste nicht mehr, wie das Loch in den Sessel gekommen war, sie hatte keine Katze und auch nicht soviel Besuch, dass der Löcher in den Stoff sitzen konnte. Vielleicht war ihr mal eine brennende Zigarette heruntergefallen, als sie noch geraucht hatte. Eigentlich brauchte sie den Sessel gar nicht mehr, sie hätte ihn in den Sperrmüll geben können. Jan benutzte den ohne Loch, und Maria saß abends beim Fernsehen auf der Couch und legte die Beine hoch.
    Sonnabendvormittags jedoch saß sie am Küchentisch und löste Kreuzworträtsel, und es gab keins, das sie nicht knackte, na, vielleicht blieb mal eine Ecke übrig mit einem dreibuchstabigen Nebenfluss des Orinoko.
    Abwesend biss sie in ihre Rosinenschnecke und brütete eine Weile über einer Oper von Wagner, längeres Wort.
Lohengrin?
, zählte sie an den Kästchen ab.
Nein, länger. Tannhäuser? Das ginge rein.
    Da schrillte die Klingel. Maria fuhr zusammen. Wer mochte das sein um diese Tageszeit? Schnell trug sie den gefundenen Begriff noch ein und ging zur Haustür. Sie sah durch den Spion. Im Flur stand ein einfach gekleideter Mann, den sie nicht kannte.
Wahrscheinlich ein Vertreter
, dachte sie, und wollte sich auf Zehenspitzen zurück in die Küche schleichen, doch leider stieß sie gegen die Flurgarderobe, und im selben Moment rief der Besucher: »Frau Matuschek? Sind Sie zu Hause? Es geht um Ihren Sohn.«
    »Jan?«, stieß sie halblaut aus. Sie betrachtete den Fremden noch einmal durch das Guckloch. »Wer sind Sie?«
    »Ich heiße Erwin Köpke,

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