Der Duft des Anderen
hatte. Es war das allgemeine Signal zum Aufbruch, und Richard versicherte, er werde das nächste Mal daran denken, früher mit seiner Lesung zu beginnen.
Stephan legte Barbara beim Hinausgehen besitzergreifend den Arm um die Hüfte. »Ich bringe dich nach Hause, du hast zu viel getrunken, um noch selbst zu fahren.«
Barbara versteifte sich. Stephan hatte natürlich recht, und erst jetzt fiel ihr ein, dass Stephan sehr zurückhaltend beim Trinken gewesen war. Bevor sie sich eine Ausrede überlegen konnte, drängte sich Luigi dazwischen und sagte: »Wenn du interessiert bist an dem Club, kann ich mich erkundigen.«
Barbara nickte. »Ja, das wäre furchtbar nett von dir.« In einen privaten Club hineinzuschnuppern, konnte nichts schaden, und wenn es ihr nicht gefiel, konnte sie immer noch wegbleiben. Ihr schien es wichtig, ihre schwulen Bekanntschaften möglichst weit auszudehnen, so musste sie sich nicht auf das Café ›Cosima‹ beschränken. Langsam würde man sie überall kennen, sie konnte die Örtlichkeiten und Bekanntschaften wechseln, und niemand würde etwas Genaues wissen.
Dann sah sie Stephan in die Augen. Dort glänzte etwas zielstrebig Beharrliches, das zu sagen schien: Heute entkommst du mir nicht, Saschalein. Ich fahre dich nach Hause, und vor der Haustür lässt du mich nicht stehen.
Sie bekam Panik. Stephan in ihrem Haus! Fieberhaft überlegte sie, woran er merken könnte, dass dort eine Frau wohnte. Lag irgendwo ein Slip von ihr herum? Darauf konnte sie stehen. Schminke? War im Badezimmerschrank, da hatte er nicht hineinzusehen, wenn er es aber doch tat? Bestimmt war Stephan neugierig auf alles, was seinen Sascha anging. In das männlichste Zimmer, die Bibliothek, ließ sie niemand hinein, das war ihr heilig. Egal, zur Not musste sie lügen, dass sich die Balken bogen. Die Nachbarn waren um diese Zeit keine Gefahr. Es gab nur zwei Probleme: Es durfte keinen Sex geben, keinen, wie ihn sich Stephan vorstellte, und er durfte nicht wiederkommen. Doch wie sollte sie das verhindern?
»Ich möchte nicht, dass du mich nach Hause bringst. Und bitte bestehe nicht darauf, Stephan, ich nehme ein Taxi.«
Sie glaubte, Stephan mit ihrer Ehrlichkeit abschrecken zu können, aber sie hatte das Beharrliche in ihm unterschätzt. Stephan zog sie von der Haustür weg ins Dunkle und flüsterte: »Dann fahre ich dir nach und singe die ganze Nacht Ständchen vor deinem Fenster, wie gefiele dir das?«
»Stephan, bitte, sei nicht albern!«
Stephan zog sie plötzlich heftig zu sich heran und küsste sie gierig. »Ich bin nicht dein kleiner Tanzbär, der nach deinen Launen tanzt! Glaubst du, ich hätte nicht gesehen, wie sie dich alle mit ihren Blicken verschlungen haben? Und du wurdest immer lustiger und geiler, streite es doch nicht ab! Wen von denen hast du dir ausgesucht, was?«
»Keinen!«, zischte Barbara und zog Stephan noch weiter von der Haustür fort, denn die Auseinandersetzung war ihr peinlich. »Wenn, dann wärst du es, bestimmt!«
»Was heißt hier, wenn? Tust du es nie? Bist du nicht ganz normal, he?«
Sascha räusperte sich. Stephan hatte ihr das Stichwort geliefert. »Na gut, einmal musst du es ja doch erfahren. Ich habe Vorlieben, die nicht jeder teilt.«
»Wie?«, grinste er. »Sadomaso?«
»So ähnlich. Das gewöhnliche Bumsen sagt mir nichts, verstehst du?«
»Interessant.« Stephan schob ihr seinen Arm um die Taille und drängte sie in die Richtung zu seinem Wagen. »Warum bin ich darauf eigentlich nicht selber gekommen? Die Hardcorefilme, die Rudi dir gezeigt hat! Ich habe so etwas auch schon mitgemacht. Ehrlich gesagt, es war ziemlich langweilig, aber mit dir wird das bestimmt nett.«
Jetzt fiel Barbara ein, dass sie nicht über die herkömmlichen Utensilien verfügte: Handschellen, Klemmen, Peitschen. Sie besaß nicht einmal ein beeindruckendes Lederoutfit. »Ich halte auch nichts von der herkömmlichen Sadomasoszene«, sagte sie. »Fetische, Gummi, Peitschen, das ist etwas für Laiendarsteller. Ich habe meine eigenen Methoden.«
»Das wird ja immer spannender.«
»Du willst das ausprobieren? Hast du denn keine Angst?«
»Doch nicht vor dir, Sascha.«
Barbara seufzte. In seinem Zustand würde Stephan sich nicht einmal von der Rattenfolter abschrecken lassen. Sie fühlte sich auf den Beifahrersitz geschoben und hatte nicht die geringste Ahnung, was sie daheim mit Stephan anstellen sollte. Aber ein Ausweg fiel ihr auch nicht ein. Sie nannte ihm die Adresse in Wellingsbüttel, der Alkohol
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