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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Monika ein, »müsste Joachims Mutter es nicht wissen, wenn sie zwei Söhne hätte?«
    Jan füllte sich auf. »Ja, und sie weiß es auch. Sie hat es Joachim nur verschwiegen, und das aus gutem Grund.« Er reichte die Schüssel an Monika weiter, die sie an Joachim weiterreichte.
    »Ach ja?« Joachim nahm gedankenlos die Schüssel. »Na, dann erzählen Sie mal.«
    Als sie mit dem Essen fertig waren, kannten die beiden Jans Geschichte, und sie waren sehr nachdenklich geworden. Joachim wischte sich die Lippen mit der Serviette ab, während Monika bereits schweigend abräumte. »Sie erzählen da ungeheuerliche Dinge, wissen Sie das? Sie müssen schon entschuldigen, aber bevor ich keine Beweise in der Hand habe, kann ich Sie nicht – äh – duzen.«
    »Es gibt natürlich keine Unterlagen, die Sache sollte ja vertuscht werden«, sagte Jan. »Am einfachsten, Sie fragen – unsere Mutter. Sie wird es wohl nicht abstreiten.«
    »Ja, das wäre wohl das beste«, murmelte Joachim. »Nur dumm, dass ich morgen abreisen muss. Und am Telefon möchte ich die Sache nicht erörtern, das verstehen Sie doch?«
    Jan verstand. Und er hatte mit seiner feinen Beobachtungsgabe noch mehr gesehen. Während Monika stets bestrebt war, Joachims Wünsche zu erfüllen und ihm mit Worten beistand, nahm Joachim dies selbstverständlich hin, kaum, dass er sich bedankte oder lächelte, ja, er sah sie nicht einmal an. Natürlich konnte das daran liegen, dass er erschöpft von der Arbeit war. Aber Jan hatte das Gefühl, dass Joachim überhaupt nicht von der Arbeit gekommen war. Eine Geliebte? Durchaus möglich. Das Hausmütterchen passte einfach nicht zu diesem Mann. Hatte Monika vielleicht das Geld mit in die Ehe gebracht? Joachim verdiente als Physiker bestimmt nicht schlecht, aber allein die Miete dieser Luxuswohnung dürfte zwei Drittel seines Gehaltes verschlingen.
    »Am besten, Sie geben mir Ihre Adresse in Berlin«, sagte Joachim. »Wenn ich mit meiner Mutter gesprochen habe, werde ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen.«
    Jan nickte. »Dann müssen wir aber ein richtiges Wiedersehen feiern.«
    »Das wird sich finden«, gab Joachim kühl zurück.
    Beim Abschied küsste Jan Monika formvollendet die Hand, und sie errötete so, wie er es erwartet hatte. Ein bisschen Charme, ein bisschen Zuwendung, und er hatte die Frauen am Finger, besonders, wenn sie etwas vernachlässigt wurden, wie es bei Monika der Fall zu sein schien.
    Zufrieden stieg Jan in sein Taxi. Er dachte nicht daran, nach Berlin zurückzufahren. Sein schmucker Bruder ging auf Reisen und ließ eine unbefriedigte Frau allein zurück. Zum Glück war der nicht minder schmucke Schwager zur Stelle.

14
    Kai Feuerbach, in dessen Wohnung die geselligen Abende stattfanden, war ein hoch aufgeschossener Rothaariger mit Sommersprossen und intelligenten hellblauen Augen. Er studierte Geschichte, jobbte in seiner Freizeit in einem Antiquitätenladen und lebte zusammen mit Andreas, einem Informatiker.
    Andreas, ebenso lang wie er, hatte ein blasses Gelehrtengesicht, das eine randlose Brille zierte. Seine braunen Augen sahen etwas ängstlich in die Welt. Vielleicht war er auch nur schüchtern.
    Er und Kai waren schon seit vier Jahren ein Paar. Sie ergänzten sich gut. Der verklemmte Andreas fühlte sich von Kais unbekümmerter Art angezogen, beneidete ihn oft darum und hätte fast alles für ihn getan. Ein weniger gefestigter Mensch als Kai hätte den armen Andreas schamlos ausgenutzt, aber Kai hatte Andreas als warmherzigen, sympathischen und intelligenten Menschen kennengelernt und schätzte nicht nur seine Kochkünste sehr. Andreas war der Ordentliche von beiden und kümmerte sich um den Haushalt. Kai war eher der Typ eines schlampigen Genies, aber vielleicht hielt ihre Partnerschaft gerade deswegen. Zwei von der gleichen Sorte hätten es wohl nicht lange miteinander ausgehalten.
    Im Gegensatz zu einer normalen Ehe war diese Rollenverteilung allerdings von ihren jeweiligen Neigungen und nicht von ihrem Geschlecht bestimmt worden. Doch obwohl sie beinahe das ideale Paar waren, musste Andreas seinen Eltern, die in Süddeutschland wohnten, diese Freundschaft verschweigen. Ein Outing hätte nicht nur die Trennung von seinen Eltern bedeutet, die strenggläubigen Leutchen hätten fortan in ständiger Furcht vor der ewigen Verdammnis gelebt, und das wollte Andreas ihnen nun wirklich nicht antun. Er schrieb ihnen, er habe eine nette Freundin, mit der er aber selbstverständlich vor der Ehe nicht intim

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