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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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hatte sie leichtfertig gemacht.
    Stephan fuhr einen alten Benz. Wie er hinter dem Lenkrad saß und sie ansah, wirkte er im schwachen Licht der Straßenbeleuchtung wie ein kleiner Junge, der sich auf sein Geburtstagsgeschenk freut.
    ***
    Es war gegen zwei Uhr nachts, in der Nachbarschaft brannte nirgendwo mehr Licht, dennoch bat Barbara Stephan, seinen Wagen eine Straße weiter zu parken. Als sie unter der Haustür standen, fiel Barbara ein, sie hätte Stephan sagen können, dass sie nicht allein wohne. Eine Mutter, eine Schwester. Wie dumm, dass sie daran nicht gedacht hatte. Ob sie jetzt noch –? Nein, dazu war es zu spät.
    Während sie aufschloss, fühlte sie seinen Körper drängend an ihrem Rücken.
Der kann es nicht abwarten
, dachte sie. Der wird sich noch wundern. Hätte sie keinen Schwips gehabt, wäre sie in Panik gewesen. Sie knipste das Licht im Flur an und zeigte geradeaus. »Geh schon mal ins Wohnzimmer, ich mache uns noch einen Kaffee.«
    Das kleine Ablenkungsmanöver, um sich einen Plan auszudenken, gelang nicht. »Kaffee?«, maulte Stephan. »Bei Kai haben wir schon genug getrunken.« Seine Hände waren plötzlich in ihrem Schritt und seine Lippen auf ihren. Barbara machte sich wütend los. »Lass das! Ich habe doch gesagt, ich stehe nicht darauf.«
    »Man wird sich doch ein bisschen aufwärmen dürfen.« Stephan ließ sie los. »Findet die Vorstellung im Wohnzimmer statt?«
    Barbara überlegte blitzschnell, ob irgendetwas Verräterisches im Wohnzimmer herumstand oder lag, aber so genau wusste sie das natürlich nicht. Dann kam ihr eine bessere Idee. »Das wäre viel zu spießig. Für so etwas habe ich meine Räumlichkeiten.« Sie wies auf die Treppe neben dem Eingang. »Da hinauf! Wenn du dich traust.«
    »Was ist da oben? Deine Folterkammer?«
    »Abwarten.« Barbara lachte leise und stieß Stephan an. Der ging voran. Im ersten Stock lagen Schlafräume und Gästezimmer, aber Stephan musste noch höher steigen. Er erklomm die Holzstiege, die auf den Boden führte. Als Barbara oben Licht angemacht hatte, stand Stephan da, die Hände in die Hüften gestemmt, und sah sich erstaunt, aber auch etwas enttäuscht um. Es roch nach Farbe und Terpentin. Auf der großen Staffelei mitten im Raum stand ein halb fertiges Bild. Daneben der große Tisch mit der göttlichen Unordnung eines Künstlers. Rechts die große gemütliche, aber schon etwas durchgesessene Couch, an der Wand etliche zugehängte, übereinandergestellte Bilder. Er stand in Saschas Atelier. Antörnend war das nicht, besonders der Geruch störte ihn. »Hier?«, murmelte er.
    »Na was? Hast du das Kabinett des Dr. Fu Man Chu erwartet?« Barbara stiefelte an ihm vorbei, räumte ihren verschmierten Malerkittel von der Couch und sagte: »Setz dich dahin! Los! Wenn es dir nicht passt, kannst du ja gehen!«
    »He, was ist denn das für ein Ton?«
    »An den wirst du dich in meinem Haus gewöhnen!«
    »Ach, spielst du jetzt den Dominus?«
    »Ich spiele gar nichts, merke dir das!«, zischte Barbara. »Ich bin keiner dieser einstudierten Freaks, die erst höflich anfragen, auf welche Weise andere gequält oder gedemütigt werden wollen. Alles, was ich tue, das bin ich selbst. Wer in mein Haus kommt, der unterwirft sich mir, oder er lässt es bleiben und geht. Hast du verstanden?«
    »Oho«, erwiderte Stephan, aber es klang ziemlich kleinlaut. Brav setzte er sich auf die Couch. »Und was hast du mit mir vor?«
    Barbara zuckte die Achseln, löschte das Oberlicht und knipste eine Tischlampe an. »Alles, was mir Lust bereitet. Deine Wünsche sind nicht gefragt. Du hast aber noch die Chance zu gehen.«
    Die Bodenkammer war jetzt in Schatten gehüllt, die Dinge verloren ihre Konturen, auch Barbaras Gesicht lag im Schatten, nur auf Stephan fiel gedämpftes, orangefarbenes Licht. »Ich lasse mir von dir keine Angst machen«, lachte er heiser, aber unter dem Lachen waren auch Unsicherheit und Spannung.
    Barbara schleppte ihre Bilder herbei und stellte sie ins Lampenlicht. »Sieh sie dir an!«, befahl sie.
    Stephan erkannte, was diese Bilder darstellten: Junge hübsche Männer, vergewaltigt, gepeitscht, gefoltert, getötet, dabei in erotischer Nacktheit verbunden. Henker und Opfer im Kontrast kühler und heißer Farben. Das gleiche Motiv immer wieder abgewandelt, und stets waren Gewalt und hemmungslose Geschlechtsgier Zwillinge.
    Stephan legte seine Hand unbewusst in den Schritt, als müsse er vor der Welt verbergen, mit was für einer explosiven Kraft ihm das

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