Der Duft des Anderen
Kunstmaler, Hausbesitzer. Bei Einkommen lediglich: vermögend, Religion: keine. Dann folgte die Hausordnung, es waren tatsächlich zwanzig kleingedruckte Paragrafen, wahrscheinlich von Rosalie liebevoll ausgearbeitet. Am Ende unterschrieb Barbara, dass sie über die Aktivitäten und Mitglieder des Clubs strengstes Stillschweigen bewahren würde. Vorsicht! Beinahe hätte sie mit Barbara unterschrieben.
Als sie das Antragsformular zusammenfaltete, schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf, der sie verwirrte: Genau genommen träumte sie am helllichten Tag von nichts anderem, als es mit Alexander in allen Stellungen zu treiben, obwohl Alexander ihr deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass er sich aus ihr nichts machte. Was hatte das zu bedeuten? War er ein Mann, den sie auch als Frau begehren könnte? Dieser Mann – unterstellt, er wäre bi – mit Barbara im Bett?
»Heb den Arsch hoch! Lass mich deine Möse sehen!« Sie hörte förmlich, wie er es sagte, und schüttelte sich. Nein!
Wenn er aber zärtlich wäre, sie streichelte und überall küsste? Ebenfalls nein! Unvorstellbar! Wie konnte ein Mann wie Alexander Süßholz raspeln und Brüste streicheln wollen, bis die Gnädige endlich heiß genug für seinen Schwanz war?
Also träumte sie doch davon, als Sascha von ihm genommen zu werden? Aber war das, was sie so verrückt machte, wirklich nur das Verlangen, von ihm gebumst zu werden? Zu banal. Sie spürte, dass da mehr war. Viel mehr. Sie wollte ihm nah sein, viel näher als bei der Vereinigung zweier Körper im Geschlechtsakt. Aber ein Noch-Näher gab es nicht. Was wollte sie? Sie erinnerte sich, dass allein seine Stimme und seine Blicke sie auf eine Weise erfüllt hatten, als befinde er sich nicht außerhalb von ihr, als sei er mit ihr verschmolzen in einer unerklärlichen Symbiose, die nichts Geschlechtliches hatte.
Sie steckte den Antrag in einen Briefumschlag und schrieb die Adresse des Clubs darauf, zu Händen von Rosalie. Keinesfalls wollte sie ihn persönlich überreichen. Dann überlegte sie, ob sie Monika anrufen sollte. Monika, die sie in diese peinliche Lage gebracht hatte. Ihr Joachim war also schwul, schlimm für sie. Hatte sie deshalb über ihn nie ein Wort verloren? Natürlich, es war ihr peinlich, und nun tröstete sie sich mit einem Geliebten, der sein Zwilling war. Was für ein Glücksfall! Aber durch ihr Schweigen hatte sie Barbara vor diesem Mann – sie kannte nicht einmal seinen Namen – lächerlich gemacht. Wenn sie zurückdachte, musste sie allerdings zugeben, dass nicht Monika mit dem Verwirrspiel angefangen hatte. Der andere war hereingekommen und hatte sich als Joachim vorgestellt. Dennoch hätte Monika das später richtigstellen können, schließlich war sie ihre Freundin.
Barbara ärgerte sich ein bisschen über dieses mangelnde Vertrauen, sie sollte Monika zur Rede stellen! Schon streckte sie die Hand nach dem Telefonhörer aus, da zuckte sie zurück. Beinah hätte sie einen furchtbaren Fehler begangen. Sie durfte überhaupt nichts von diesem Zwillingsbruder wissen! Das hieß, sie musste die Farce mitspielen oder sie auf ihre Weise beenden.
Sollte sie die beiden zu sich nach Hause einladen oder lieber selbst hingehen? Sie entschloss sich für einen abermaligen Überraschungsbesuch, und sie plante ihn listig. Wenn sie morgen gegen elf bei Monika auftauchte, erweckte sie nicht den Verdacht, sie käme wegen Joachim, denn zu dieser Zeit sollte er in der Firma sein, war er aber nicht, wenn es der Bruder war, also konnte sie ihn festnageln. Damit sie einen Grund für ihren Besuch hatte, wollte sie Monika eins ihrer Hamburgbilder zum Geschenk machen.
Nachdem sie diesen Entschluss gefasst hatte, räumte sie die Küche und das Wohnzimmer auf, um ihrer Unruhe Herr zu werden. Die Bibliothek blieb verschlossen, kein Wischtuch und kein Mob sollten sie jemals durch unnötiges Staubaufwirbeln entweihen. Dass sie mit dieser artfremden Tätigkeit beschäftigt war, merkte sie erst, als sie fertig war. Nötige Handgriffe im Haushalt pflegte sie im Vorbeigehen über den gesamten Tag zu verteilen. Eine Putzhilfe wäre angenehm, aber Barbara mochte während ihrer Abwesenheit keine fremden Leute im Haus und während ihrer Anwesenheit erst recht nicht. Ein zielgerichtetes Aufräumen und Saubermachen, so eins von der Sorte, das zwei, drei Stunden am Stück dauerte und das man gründlich Reinemachen nannte, verabscheute sie. Eine solche Anwandlung überkam sie höchst selten, und sie fand es
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