Der Duft des Anderen
Einkaufstüten zu Monika in die Küche. »Das wäre aber auch verdammt schade, Frau Waszcynski.«
»Sagen Sie doch einfach Barbara. Ist doch albern, wenn wir uns siezen.«
Jan schenkte ihr in der Küchentür einen warmen Blick. »Gern. Barbara.«
Alexander hat Joachim, und ich könnte Jan haben, schoss es Barbara durch den Kopf. Dann wäre ich ihm etwas ähnlicher, näher. Und Roberts Sticheleien würden vielleicht aufhören. Jan könnte mir gefallen – als Freund. Nun ja, aus eben diesem Grunde: vergiss es, Barbara! Freundschaft zwischen Mann und Frau muss erst noch erfunden werden.
Das Wetter war schön, und sie tranken Kaffee auf dem Balkon. Monika hatte rasch ein paar Brötchen geschmiert. Sie lächelten alle drei und plauderten in Sommerfrühstückslaune. Gerade überlegte Barbara, wie sie auf unverfängliche Weise den beiden eine Falle stellen konnte, als Jan zu Monika sagte: »Meinst du nicht, wir sollten es ihr sagen?«
Monika hustete. »Ich finde nicht«, sagte sie schnell, dann verbesserte sie sich und fragte: »Warum denn?«
»Weil er«, betonte Jan, »weil er nächste Woche zurückkommt.«
Monika schwieg. Sie war der Meinung, dass Barbara es niemals gemerkt hätte, also braucht Jan auch nichts zu sagen. Doch Jan wollte die günstige Gelegenheit ergreifen und den Aufrichtigen herauskehren. Schließlich wollte er bei Barbara als Jan noch eine Rolle spielen.
»Wer kommt zurück?«, fragte Barbara scheinheilig.
»Also Barbara«, sagte Monika und bügelte die zerknüllte Serviette nervös mit den Händen glatt. »Das Ganze ist mir etwas peinlich, ich meine, ich hätte dir schon lange – aber irgendwie …«
Jan unterbrach Monikas Stottern, legte ihr dabei beruhigend die Hand auf den Arm, damit sie mit dem Bügeln aufhörte, und begann mit einfachen Worten, Barbara die Situation zu erklären.
Barbara spielte die Überraschte und begleitete Jans Ausführungen mit »Ach was! Ja? Nicht möglich! So?« Als er fertig war, dachte sie:
Wisst ihr aber auch, dass Joachim schwul ist?
»Nächste Woche kommt Joachim aus Moskau zurück«, fuhr Jan fort. »Ich hoffe, dann wird sich herausstellen, dass ich die Wahrheit gesagt habe.«
»Monika glaubt dir jedenfalls jetzt schon«, erwiderte Barbara anzüglich, und Monika errötete. »Du wirst uns doch nicht verraten?«
»Aber Monika! Wir Frauen müssen doch zusammenhalten!« Barbara zwinkerte ihr zu und griff zu einem Schinkenbrötchen.
»Ich hoffe, unsere Bekanntschaft wird damit nicht beendet sein, Barbara?«, fragte Jan.
»Aber musst du denn nicht wieder zurück nach Berlin?«
»Ja, leider. Aber Berlin ist nicht weit, und ich denke, ich werde meinen Bruder häufiger besuchen.«
»Dann kommt ihr aber alle zu mir hinaus nach Wellingsbüttel«, gab sich Barbara begeistert, obwohl es das Letzte war, was sie beabsichtigte. Sie würde Joachim ohnehin im Club begegnen. Aber er durfte sie niemals als Barbara kennenlernen. Andererseits wusste sie, dass Jan überhaupt nicht daran interessiert war, gemeinsam mit seinem Bruder aufzukreuzen. So blieb die Einladung eine unverfängliche Höflichkeitsfloskel.
Monika war blass und sagte nichts. Barbara war sich immer noch nicht sicher, ob Monika über Joachim die Wahrheit wusste, aber das würde sie ein anderes Mal herausbekommen. Heute hatte sie ihre Mission erfüllt, die Fronten waren geklärt. Nächste Woche würde Monika wieder ihr altes Eheleben aufnehmen, ob Joachim nun bi oder schwul war. Und Jan würde die Frauen wechseln. Nun, Barbara war es gewohnt, Männern ihre Grenzen zu zeigen.
***
Je näher der Freitagabend rückte, desto unruhiger wurde Barbara. Es war der Tag, an dem sie Alexander wieder sehen würde. Sie nahm sich vor, noch genauer auf ihn zu achten, auf seine Kleidung, seine Art zu sprechen, seinen Gang, sein Lächeln. Sascha musste langsam, Geste für Geste, Wort für Wort, zu Alexander werden. Eine gewisse Ähnlichkeit war bereits vorhanden, dunkles Haar, dunkle Augen, scharf geschnittene Züge. Natürlich war Alexander größer und breitschultriger. Alexander war ein Mann! Sascha war nur ein schwuler Junge. Das musste sich ändern.
Am Mittwoch rief Stephan an. Sie verabredete sich mit ihm für Montagnacht, und sie hoffte, das Wochenende würde ihr das nötige Rüstzeug verschaffen, besonders anspruchsvoll mit ihm umzugehen. Der willfährige Stephan würde es diesmal mit einem kleinen Alexander zu tun bekommen. Barbara wurde ganz heiß bei diesem Gedanken.
Gegen Abend ging sie auf den Boden
Weitere Kostenlose Bücher