Der Duft des Anderen
Haare sind doch völlig unwichtig.«
»Ich glaube, dazu haben wir keine Zeit mehr.« Monika erhob sich. »Wir haben einen Tisch um halb zehn reservieren lassen.«
»Ach das Essen!« Joachim verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ich finde, im Restaurant, wo jeder mithört, kann man sich lange nicht so gut unterhalten. Weißt du was, Monika. Koch uns doch etwas Nettes.«
Monika erstarrte, Joachim lächelte unschuldig, und Jan konnte es nicht fassen.
»Ich kann auch den Pizzaservice anrufen«, giftete Monika.
»Pizza?«, wiederholte Joachim und sah Jan an. »Hättest du jetzt auf Pizza Appetit? Ich hätte lieber etwas Deftiges. Dein Gulasch ist immer so gut, Liebes.«
Joachim wusste nicht, weshalb er plötzlich von zwei Augenpaaren so bitterböse gemustert wurde. Auch das Schweigen war ihm unverständlich. »Ich bestelle den Tisch ab, Liebes, darum brauchst du dich nicht zu kümmern.« Völlig unberührt von der Eiszeit, die er ausgelöst hatte, erhob sich Joachim und ging zum Telefon. Doch bevor er zum Hörer greifen konnte, schrillte es. Er nahm ab. »Von Stein.«
»Jan, bist du es?«
»Hier ist Joachim, der Bruder. Wer ist denn da?«
»Barbara Waszcynski. Ich hätte gern mit Jan gesprochen. Ist er da?«
»Einen Augenblick bitte.« Joachim reichte Jan den Hörer. »Für dich. Eine Barbara.«
Jan erhob sich etwas zu schnell, er sah gerade noch, wie Monika betroffen die Hand zum Mund führte. »Ja, hallo Barbara? Hier ist Jan.«
»Hallo. Ich wollte dich heute Abend zum Essen einladen. Im Saseler Landhaus machen sie einen fabelhaften Wildschweinbraten mit Preiselbeeren. Hast du Lust?«
Jan konnte vor Überraschung kaum antworten und musste sich erst räuspern. »Und ob. Wann und wo treffen wir uns?«
»Seit wann ist denn Joachim wieder da?«
»Er ist heute Abend gekommen. Eigentlich wollten wir drei zusammen essen gehen, aber ich glaube, Joachim zieht es vor, dabei mit Monika allein zu sein.« Dabei blinzelte er Monika zu.
»Das verstehe ich gut«, log Barbara. »Dann kannst du in einer halben Stunde hier sein? Gut. Und grüße Monika von mir.«
Weder Joachim noch Monika gefiel diese Wende. »Wer war denn das?«, fragte Joachim ungehalten. Jan sollte sich gefälligst um Monika kümmern. Wie hatte er bloß so schnell eine weitere Frauenbekanntschaft gemacht?
»Das war meine Freundin Barbara«, sagte Monika rasch. »Sie hat uns ein paar Mal besucht.«
»Und weshalb gehen wir dann nicht alle gemeinsam essen?«
»Na du wolltest doch Gulasch!«, schrie Monika.
»Und du Pizza!«, schrie Joachim zurück.
Jetzt brach Monika in Tränen aus. »Nein, ich wollte mit dir essen gehen«, schluchzte sie.
Tränen machten Joachim weich, vielleicht begriff er auch erst jetzt. Er nahm sie in den Arm. »Tut mir leid. Dann gehen wir jetzt alle essen.« Er drehte sich um. »Wo ist denn Jan?«
Sie hörten gerade noch die Haustür zufallen.
***
Wildschweinbraten in gepflegter Atmosphäre bei Kerzenschein mit Barbara. Nur zu gern hatte Jan die Gelegenheit zur Flucht ergriffen vor dem Ehedrama, das sich anzubahnen schien. Sein Bruder Joachim war in Ordnung und er mochte ihn – von Mann zu Mann. Wie er Monika behandelte, war eine andere Sache. Sie tat ihm leid, aber sie wehrte sich zu wenig, und Joachim schien es nicht einmal zu bemerken, wie sehr er sie zurücksetzte. Jan nahm sich vor, bei passender Gelegenheit mit Joachim darüber zu sprechen. Behutsam natürlich, man zog stets den Kürzeren, wenn man sich in eine fremde Ehe einmischte. Andererseits gehörte er jetzt zur Familie und zum Haus. Das Letztere bereute Jan bereits. Noch zwei, drei Wochen, dann wollte er die Sachen packen, denn als Dritter im Bunde würde er nur die Prügel einstecken.
Er lächelte Barbara zu. Sie gefiel ihm heute besonders gut. Geschminkt hatte er sie noch nicht gesehen, es betonte ihre Weiblichkeit. Das Parfüm war eine Spur zu süß, das raffiniert geschnittene Wildlederkostüm ein weinroter Traum. Ihre Haltung strahlte etwas Sieghaftes aus, als sei ihr kürzlich ein Erfolg beschieden gewesen. Jan wollte sie schon danach fragen, unterließ es dann aber. Auch von überschwänglichen Komplimenten nahm er Abstand, obwohl sie durchaus gerechtfertigt gewesen wären. Er hatte das Gefühl, dass Barbara sich nichts aus ihnen machte. Nicht aus Komplimenten jedenfalls, die auf ihr Äußeres abzielten. So hatte er lediglich gesagt: »Ich freue mich, dass ich dich heute Abend begleiten darf«, und ihre Hand gedrückt.
Um ins Gespräch zu
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