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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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ahnt dein Eheweib nichts davon, von dir weiß sie es ja auch nicht.«
    »Und das muss so bleiben«, murmelte Joachim und wählte Monikas Nummer.

20
    Barbara lag im Wohnzimmer auf der Couch, eine dünne Decke bis zum Kinn gezogen und starrte an die Decke. Sie hatte ihren Wagen im Schuppen hinten auf dem Hof versteckt, die Telefonschnur herausgezogen und die Klingel abgestellt. War es geschehen? War es nicht geschehen? In aller Frühe war sie zum Kiosk an der Ecke gegangen und hatte sich die Morgenpost besorgt. Unten rechts auf der ersten Seite fand sie es: Strichermord auf St. Georg. Und darunter in kleineren Buchstaben: Der homosexuelle Frank S. wurde gestern in seiner Wohnung mit sechs Messerstichen tot aufgefunden. Da nichts entwendet wurde, vermutet die Polizei einen persönlichen Racheakt. Weiter auf Seite 3.
    Barbara ließ die Zeitung auf den Boden gleiten. Dann war es also geschehen. Das Blut, die Schreie, die von den dröhnenden Bässen übertönt wurden, das Hetzen über den ewig langen Flur, das Wummern in ihrem Kopf, das sie noch im Treppenhaus verfolgte, alles kein Traum. Eine Zeitung befasste sich nicht mit ihren Träumen.
    Wie sie nach Hause gekommen war, wusste sie nicht mehr. An ihren Händen war kein Blut, sie musste sie gewaschen haben. Wo waren ihre Sachen? Sie lag unter ihrer dünnen Decke, nur mit einem Slip bekleidet, unfähig, etwas zu tun. Solange sie sich nicht bewegte, existierte auch nichts. Keine Zeitung, die einen Mord meldete, keine Polizei, die einen Mörder suchte. Unbeweglich bleiben, dann hatte die Welt da draußen keine Chance, sie zu finden. Es gab keine Barbara mehr, denn wer sich nicht bewegte, der war tot oder so gut wie tot. Tote morden nicht, Tote werden nicht verhaftet.
    Aber ihre Gedanken konnte sie nicht ausschalten.
Wer hat mich gesehen? Ich muss eine Unmenge von Fingerabdrücken hinterlassen haben. – Sie haben einen jungen Mann gesehen
, beantwortete sie sich selbst die Frage,
und meine Fingerabdrücke sind nicht registriert. Mein Wagen – wo stand mein Wagen? Am Hachmannplatz! Hat man mich gesehen, wie ich eingestiegen bin? Wenn sie mich über die Nummernschilder identifiziert hätten, wären sie schon hier.
Immer wieder kreisten ihre Gedanken darum. Schließlich war sie so erschöpft, dass sie einschlief.
    Sie erwachte gegen acht Uhr abends. Ein Blick auf die Zeitung am Boden genügte ihr, in die Realität zurückzufinden. Aber sie fühlte sich nicht mehr so gerädert wie am Morgen. Sie hob die Zeitung auf und las weiter auf Seite 3. Dort erfuhr sie, dass die Polizei noch keinen Anhaltspunkt hatte. Der Täter wurde in der Schwulenszene gesucht, Mordmotiv vermutlich Eifersucht. Über Franks letzten Besuch konnten keine Angaben gemacht werden. Seine Mitbewohner meinten, dort gingen ständig Männer ein und aus, und es kümmere sich keiner um den anderen.
    Na also
, dachte Barbara erleichtert und legte die Zeitung auf den Tisch. Dabei stellte sie fest, dass ihre einzige Sorge darum kreiste, nicht erwischt zu werden, der Mord selbst war zu entfernt, zu unwirklich, um sie zu bedrücken. Sie ging in die Küche, um sich etwas zu Essen zu machen.
Ich habe einen Menschen getötet
, dachte sie, während sie die kümmerlichen Reste im Kühlschrank anstarrte.
Ich habe es wirklich getan, weshalb denke ich ans Essen? Weil ich verdammt hungrig bin! Man sollte vielleicht weniger Appetit nach einem Mord haben. Es gehört sich einfach nicht, an belegte Brote oder eine Lasagne zu denken, wenigstens einen Tag sollte man schon fasten? Wie denken wohl andere Mörder darüber?
    Mörder?
Sie zuckte vor diesem Begriff zusammen.
Ich bin kein Mörder. Es war Notwehr. Der Dreckskerl hatte mich beleidigt, gedemütigt, hinausgejagt wie eine Ratte. Ich habe ihm nur gegeben, was er verdient hat. Alexander hätte ihn zusätzlich aufgeschlitzt. Ja! Niemals hätte Alexander sich das gefallen lassen. Und bald werde ich wie Alexander sein.
    Sie warf einen Blick auf den Kalender. Donnerstag. Morgen Abend Club, Samstag und Sonntag auch, Montag wahrscheinlich wieder Stephan. Vielleicht würde auch Jan anrufen. Wollte Joachim diese Woche nicht zurückkommen? Und Robert? Hatte sie irgendeinen Termin mit ihm ausgemacht? Und war nächsten Mittwoch nicht schon wieder Treffen bei Kai?
    Missmutig schlug Barbara die Küchenschranktür zu. Sie musste vorsichtiger werden. Bei so vielen Kontakten konnte sie die Übersicht verlieren. Und jetzt hing ihre Identität auch mit einem Mord zusammen. Sie ging ins Bad und

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