Der Duft des Anderen
Vorträge über männliches Begehren!«, zischte sie. »Ich kenne das Einmaleins und weiß, dass dazu immer zwei gehören. Ich-be-geh-re-dich-nicht! Hast du das verstanden?«
Jan legte die Serviette auf den Tisch. »Es war deutlich genug. Vielleicht würde ich dich besser verstehen, wenn du mir doch deine Gründe nennst?«
»Verstehen vielleicht, aber würde das dein Begehren auslöschen, Jan? Ich will kein Verständnis, ich will Akzeptanz. Bleiben wir Freunde und lassen deinen zappelnden Schwanz aus dem Spiel, oder muss er unbedingt bewegt werden? Dann brauchst du den Wildschweinbraten gar nichts erst abzuwarten, dann kannst du gehen. Sofort!«
Ein Ehepaar am Nachbartisch sah pikiert zu ihnen hinüber. Jans Mundwinkel zuckten. Wann hatte je eine Frau so zu ihm gesprochen? »Du bist sehr hart, Barbara. Muss ich mich sofort entscheiden?«
»Ich fürchte ja, und ich hoffe, du gibst mir eine ehrliche Antwort.«
Jan drehte nervös den leeren Becher in der Hand. Er bekam eine Galgenfrist, weil der Braten kam. Der Ober rollte den Wagen mit den Schüsseln heran und begann zu servieren. Dazu servierte er einen Beaujolais.
»Das riecht aber gut. Ist die Spezialität des Hauses, wie?«
»Keine Ablenkungsmanöver, Jan Matuschek.«
»Ich glaube, ich kenne dein Geheimnis. Du bist lesbisch.«
»Vollkommen daneben.«
Jan spießte entschlossen ein Stück Braten auf die Gabel. »Lieber dein Freund sein als dich gar nicht sehen, Barbara.«
Da wurde ihr Gesicht weich. »Bitte, halte dein Versprechen. Du bist der erste Mann, von dem ich es verlange.«
Jan hörte auf zu kauen. »Und die anderen?«
»Welche anderen? Es gab keine anderen.«
Jan lachte. »Du bist eine bemerkenswerte Frau, Barbara.« Er hob sein Glas. »Trinken wir auf unsere Freundschaft. Aber denke daran, dass es auch Freundschaftsküsse gibt.«
Barbara küsste ihn auf die Wange. »Das weiß ich doch.«
21
Barbara legte sich das stramme Band um die Brüste, band sich das schulterlange Haar hoch und setzte sich die fransige Kurzhaarperücke auf. Die Handgriffe saßen inzwischen. Mit einem Hauch Puder und einem weichen Stift machte sie ihre Augen schräger und ausdrucksvoller. Viele Schwule verwendeten Schminke, besonders abends, das war nichts Besonderes. Sie verstand es mittlerweile auch, ihr Gesicht so abzutönen, dass es markanter erschien. Die Augenbrauen verstärkte sie mit feinen schwarzen Strichen. Sie bereitete sich auf den Club vor.
»Du kleines tapferes Schneiderlein«, flirtete sie mit ihrem Spiegelbild. »Zwei Fliegen mit einer Klappe.« Sie meinte den gestrigen Abend mit Jan. Ein gelungener Abend mit einem Mann, der ihr sympathisch war und den sie gleichzeitig in seine Schranken verwiesen hatte. Irgendwann würde Jan natürlich sein Versprechen vergessen, würde glauben, ihr Eis schmelzen zu können. Schade, dass es immer so laufen musste.
Sie wählte ein hellgraues Seidenhemd, eine schwarze Hose und schwarze Slipper. Sie bedauerte, das Hemd nicht bis zum Gürtel aufknöpfen zu können. Im Schritt trug sie den künstlichen Penis – wegen des Gefühls, denn er zeichnete sich in der weiten Hose nicht ab. Als Ohrring wählte sie eine silberne Fassung mit einem kleinen Rubin. Noch ein zufriedener Blick in den Spiegel, dann verließ sie das Haus. Es war halb neun.
Um neun erreichte sie den Club. Jetzt, wo sie nicht mehr neu war, war es besser, später zu kommen, die Stimmung war gelöster. Ein kurzer Blick genügte ihr: Alexander und Joachim waren bereits da und saßen schräg links von der Bar. Meistens kam Joachim später als Alexander, weil er noch bei Monika zu Abend aß. Jetzt saß offensichtlich Jan an seiner Stelle am Abendbrottisch.
Sie zog in ihrer eleganten Aufmachung viele Blicke auf sich. »Überwältigend«, flüsterte Luigi ihr zu, denn Barbara war gleich auf die Bar zugesteuert, wobei sie tat, als beachte sie Alexander und Joachim überhaupt nicht, doch sie verlor die beiden niemals aus dem Blickwinkel. Joachim hatte sie noch nicht bemerkt, er saß mit dem Rücken zu ihr und unterhielt sich angeregt mit Alexander, der eine lange Zigarillo rauchte.
»Einen Wodka Lemon«, verlangte sie und fügte gleichgültig hinzu: »Alexanders Freund scheint ja wieder da zu sein.«
Markus, der neben ihr saß und sich mit Sigi unterhielt, wandte sich um. »Ein Jammer, nicht wahr?«
Barbara setzte das sparsame Lächeln Alexanders auf und strich sich eine winzige Strähne hinter das Ohr; nur der verhangene Blick gelang ihr nicht. »Hättest du
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