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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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bereits ein angenehmer Geruch verbreitete, durchfuhr sie plötzlich ein eisiger Schrecken, der ihre Siegerstimmung platzen ließ wie eine Seifenblase. Stephan! Alle im Club wussten Bescheid, auch Luigi. Luigi würde einen triumphalen Rundumruf bei Kais Freunden starten: Mädels, wisst ihr schon das Neueste … damit musste sie leben, nicht nur der Club, auch die Mittwochtreffen bei Kai waren fortan tabu, aber Stephan! Stephan war der Einzige, der wusste, wo Sascha wohnte, Sascha, der in Wirklichkeit eine Frau war. Und alle Welt würde dann wissen, was niemand wissen durfte: Sascha war Barbara Waszcynski! Weshalb hatte sie das nicht eher bedacht? Weil sich ihre Gedanken nur mit Alexander beschäftigt hatten.
    Sie machte den Herd aus, der Appetit war ihr vergangen. Die Angst kam in Wellen:
Weiß er es bereits? Weiß er es nicht? Was kann ich tun, um es zu verhindern? Ich muss es riskieren und ihn anrufen. Wenn er es weiß, ist sowieso alles verloren. Weiß er es aber noch nicht –
    Barbara suchte mit fliegenden Händen in der Kramschublade ihres Schreibtischs nach Stephans Nummer. Sie fand uralte Visitenkarten, eine abgelaufene Karte vom Videoclub, bezahlte Rechnungen, eine U-Bahn-Tageskarte vom letzten Monat, und haufenweise überall hingekritzelte Telefonnummern von irgendwelchen Leuten, aber Stephans Nummer war nicht dabei.
    Fiedler
, erinnerte sie sich an den Nachnamen und rannte auf den Flur zu den Telefonbüchern. Hier fand sie, was sie suchte, die Nummer kam ihr jedoch nicht bekannt vor, also hatte sie die von seinem Laden gehabt. Dort war er um diese Zeit sowieso nicht. Sie wählte und hielt den Atem an. Das Freizeichen war schlimmer als ein Bohrer beim Zahnarzt.
Er ist nicht da
, dachte sie, halb erleichtert, halb entsetzt. Schon wollte sie auflegen, da hörte sie Stephans etwas zerknautschte Stimme: »Ja? Wer ist denn da?«
    »Sascha.« Sie hauchte den nunmehr verbotenen Namen in den Hörer und hielt ihn vom Ohr weg, als müsse er gleich in ihrer Hand explodieren.
    Am anderen Ende hörte sie ein Räuspern. War was das für ein Räuspern? Was hatte es zu besagen? ›Du alte Schlampe bist gar nicht Sascha?‹ Oder: ›Lass mich bloß zufrieden, ich weiß jetzt Bescheid?‹
    Plötzlich ein raues Flüstern: »Ich bin nicht allein. Soll ich vorbeikommen?«
    Er weiß es nicht! Noch nicht! Barbara seufzte vor Erleichterung. »Wer ist bei dir?«
    »Ist doch egal. Er schläft. Ich bin mit dem Apparat ins Nebenzimmer gegangen. Was ist, soll ich kommen?«
    Barbara hustete vernehmlich und gab ihrer Stimme einen befehlenden Ton: »Komm sofort, aber kein Wort zu dem anderen, verstanden?«
    »Verstanden, mein Herr und Meister.«
    Barbara schloss die Augen und legte zitternd den Hörer auf. Soweit hatte sie die Sache im Griff, aber noch hatte sie keine Ahnung, wie sie mit dem Problem Stephan umgehen sollte. Zuerst stellte sie den Herd wieder an und schob eine weitere Pizza hinein – für Stephan. Dann holte sie zwei Gläser aus dem Schrank und stellte eine Flasche Moselwein auf den Tisch. Sie mochte es gern sehr lieblich.
    Als sie das Klopfen hörte, ging sie Stephan öffnen. Stephan, gewitzt vom letzten Mal, steckte nur den Kopf zur Tür herein. »Soll ich mich ausziehen, Herr und Meister?«, flüsterte er.
    »Nein, komm mit ins Wohnzimmer!«
    Stephan folgte ihr, fast ein wenig enttäuscht. Er starrte auf die Pizza und den Wein. »Ich muss schon sagen, du bist für Überraschungen gut, Sascha! Machen wir heute auf trautes Heim?« Dabei sah sich Stephan rasch in dem Zimmer um. Unaufgeräumt, viele Bilder an den Wänden, aber nicht von der Sorte wie die auf dem Boden, sonst wenig Persönliches. Ein eher praktisch eingerichtetes Zimmer, das nichts Besonderes über seinen Bewohner aussagte.
    »Setz dich da auf die Couch!« Stephan räumte stillschweigend einen Pulli, eine Zeitschrift und eine Packung Papiertaschentücher zur Seite. »Ich muss mit dir reden, Stephan, deshalb das ungewöhnliche Arrangement.« Barbara lächelte und schenkte ihm ein. »Magst du Moselwein?«
    Stephan kratzte sich am Kopf. »Ein Trockener wäre mir lieber.«
    »Aber du wirst trinken, was dein Herr und Meister dir einschenkt, oder?«
    Stephan nickte grinsend. »Ich würde noch ganz andere Sachen von dir trinken.« Dann wurde er plötzlich ernst. »Du willst wirklich nur mit mir reden? Und dazu hast du mich aus meinem weichen Bett geholt?«
    »Wer war denn bei dir?«
    »Na wer schon, Manrico.«
    »Weiß er, dass du bei mir bist?«
    »Er hat gar

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