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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Decke über den Blutfleck. Schwieriger war es, Stephan die Treppen hinunterzubringen, denn leider hatte sie nicht Alexanders Körperkräfte. Sie zerrte, zog und schob ihn über die Stufen und verstand jetzt, weshalb im Film die Leichen stets so kaltblütig beseitigt wurden. Das Überleben hing davon ab. Es war halb drei nachts. Ein guter Zeitpunkt, um eine Leiche zu verscharren, und der beste Platz war unter dem Komposthaufen, er lag in der dunkelsten Ecke des Gartens, und dort war der Boden weich.
    Gegen vier Uhr war die schweißtreibende Arbeit geschafft. Stephans Sachen und den blutgetränkten Teppich hatte sie gleich mit ihm begraben. Jetzt ein Bad nehmen? Nein, es gab noch etwas zu tun. Sie säuberte sich oberflächlich, nahm ein Paar Gummihandschuhe aus dem Badezimmerschrank und griff sich Stephans Autoschlüssel, die sie auf den Küchentisch gelegt hatte. Niemand begegnete ihr auf dem Weg zu seinem Wagen. Sie zog die Gummihandschuhe an, setzte sich in seinen Wagen und fuhr durch die stillen Straßen. Sie war sehr konzentriert, sehr ruhig. Ein Mann hatte tun müssen, was getan werden musste. Er hatte eine Demütigung in Triumph verwandelt und eine Gefahr von sich abgewendet. Ein Mann wie Alexander.
    Vor Stephans Gay-Shop in der Talstraße ließ sie den Wagen stehen, zog den Schlüssel ab und verschloss die Türen. Mit der ersten U-Bahn fuhr sie nach Hause.

25
    Am Montagabend kam Joachim mit dem ICE aus München zurück, und weil er Monika und Jan noch eine Woche auf Sardinien wusste, fuhr er gleich in Alexanders Wohnung. Alexander wohnte in einem Apartmenthaus in Pöseldorf, das Tag und Nacht bewacht wurde und wo der Pförtner nur Personen hinaufließ, die er kannte, sonst rief er an und fragte, ob der Besucher erwünscht war. Genauso wichtig wie die Sicherheit war die Diskretion. Intergalaktische Orgien oder ein Papstbesuch, der Pförtner hätte von nichts gewusst.
    Herr von Stein war dem Pförtner selbstverständlich bekannt, er grüßte freundlich und drückte auf den Summer. Joachim ging durch die Glastür, die sich automatisch öffnete, und fuhr in den achten Stock, dort hatte Alexander eine geräumige Dachwohnung. Sie bestand nur aus einem Schlafzimmer und einem Wohnzimmer, aber das war riesig. Da er häufiger Geschäftsfreunde zu sich einladen musste, war die Einrichtung so wie Alexanders Anzüge: Gedeckt und gediegen. Eine mächtige Bücherwand und eine wuchtige Ledergarnitur mit klobigem Tisch vermittelten Arbeitsatmosphäre und männliches Flair. Moderne Skulpturen waren dekorativ im Zimmer verteilt, keine Grünpflanzen. Rechts vom Kamin befand sich eine kleine Bar mit vier Hockern, gut bestückt, links davon ein Schreibtisch, die Tischplatte mit grünem Leder verkleidet, aufgeräumt, nüchtern. Vier gerahmte Poster von futuristisch gemalten Städteansichten an den Wänden. Durch die halbhohen Fenster sah man auf die Lichter der Stadt. Auch auf dem großen Balkon kein Grün.
    Alexander hasste die Wohnung genauso, wie er seine Anzüge hasste und die Art zu leben, die ihm aufgezwungen wurde von einer Gesellschaft, die ihm größtenteils nicht das Wasser reichen konnte. Er war hochintelligent, so war er geboren, und er war schwul, so war er auch geboren. Und wenn Alexander Kirch schwul war, dann musste Schwulsein etwas Kostbares sein. Bereits sein Vater war Physikprofessor gewesen, und Alexander war in seine Fußstapfen getreten. Vielleicht der größte Fehler seines Lebens, mit einem so unabhängigen Geist dem Vater nachzueifern, denn das hehre Professorenamt vertrug sich schlecht mit jener anderen hoch geschätzten Eigenschaft, dem Schwulsein. Auf der Universität hatte er es erlebt, ein homosexueller Kollege war versetzt worden. Angeblich hatte er die Studenten verführt. Der Mann war nur freundlich gewesen, Alexander hatte ihn gemocht und seine fachliche Kompetenz geschätzt. Er kannte andere, die den Weibern – Pardon, aber Alexander Kirch dachte in solchen Vokabeln – die also den Weibern unter die Röcke schielten, wenn sie im Lesesaal die Stufen hinaufgingen, die toleranten Studentinnen bessere Noten gaben, und man hatte ihnen dafür Lehrstühle angeboten.
    Auf dem Tisch standen Getränke, französischer Rotwein für Joachim, Wodka für Alexander. Daneben eine bescheidene Packung Gauloises, auch für Alexander, und ein Aschenbecher aus Onyx. Joachim rauchte nicht. Etwas Käsegebäck und Chips, mehr zur Dekoration. Sie würden noch essen gehen. Alexander benutzte seine Küche selten, für

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