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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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just in diesem Augenblick wurde die Fortsetzung gedreht, diesmal als Aufklärungsstreifen: Habt ihr es vernommen, ihr Lederkerle, Schwuchteln und Fummeltrinen? Ihr Normalos, denen man’s nicht ansieht, ihr Heimlichen, die ihr es nicht zugebt, ihr stolzen Nun-erst-recht-Schwulen: Sascha ist eine Frau! Schneidet es in alle Rinden! Schreibt es an alle Häuserwände! Warnt die Bewegung!
    Und das bittere Ende dieses Dramas? Sascha würde – Sascha durfte es nicht mehr geben. Er war gestorben. Nein, er war ermordet worden – von Alexander. Aber war Sascha nicht auch Alexander gewesen? In welchem Stadium der Verpuppung hatte er sich befunden, als er starb? Wollte Sascha wirklich sein wie Alexander, oder hatte er ihn nur verzehrend geliebt?
    Barbara wusste, dass die Grenzen sich stets verwischt hatten. Aber sie war gewachsen, und wenn Stephan ihr als nackter Sklave zu Füßen lag, dann gab es auch Alexander – beinah. Doch in seiner leibhaftigen Gegenwart war sie stets auf Weibchengröße zusammengeschrumpft, weil zwei Alexanders nebeneinander unmöglich existieren konnten. Er war die pure Energie, die ihr schwaches Ebenbild in Atome auflöste.
    Barbara war dabei, sich wieder zusammenzusetzen. Wenn es so war, dann durfte es nur einen Alexander geben, das war eine Frage des Überlebens. Sie dachte nicht an die Beseitigung des anderen. Sein Tod würde sie nicht von ihm befreien. Nein, die Welt sollte hören von seinen Taten, sie würden für den echten Alexander zeugen.
    Doch vor diese Taten hatte der Herrgott oder der Teufel die Rache gesetzt. Eine klitzekleine Rache nur, um wieder durchatmen zu können und den anderen schon einmal ein Stück zu verwunden. Dann hätte sie es, wenn der große Alexander-Feldzug begann – Barbara kicherte über diesen historischen Begriff – mit einem bereits geschwächten Gegner zu tun.
    Sie streckte sich unternehmungslustig – das Wichtigste war jetzt, sich nicht unterkriegen zu lassen. Alexander hatte sie einen Meter tief in den Boden getrampelt, sie war dabei, sich wieder emporzuarbeiten. Es war früher Nachmittag, aber bereits so dunkel, als sei es schon Abend. Sie schaltete das Oberlicht an, ihr Blick fiel auf das unfertige Bild auf der Staffelei, auf dem sie Alexanders Kopf mit roter Farbe übermalt hatte, es sah aus wie ein großer Blutfleck. Als hätte sie eine Vorahnung gehabt. Fröstelnd entriegelte sie die Bodentür und ging hinunter ins Wohnzimmer. Auf ihrem Müllabladeplatz, auch Schreibtisch genannt, stand ein Computer, 386er-Auslaufmodell und selten benutzt. Grünwaldt hatte sie gedrängt, sich einen modernen anzuschaffen mit Internetverbindung, CD-ROM-Laufwerk und anderen Errungenschaften. Für einen Menschen, der mitten im modernen Leben stand, unabdingbar. Barbara war auch in diesem Fall Grünwaldts Empfehlungen nicht gefolgt. Sie wollte kein Stäubchen im World Wide Web sein. Die Vorstellung, einer Kakaopflückerin in Guatemala via Internet eine gute Ernte zu wünschen, danach mit einem chinesischen Bauern über die Sangeskünste seines Kanaris zu plaudern und anschließend mit einem australischen Farmer über die Wollpreise zu diskutieren, erschreckte sie. Aber bei entsprechenden Anlässen wusste sie das Textprogramm zu schätzen. Sie knipste die kleine Tischlampe an, dann den Computer und tippte einen Satz ein, wählte eine Standardschrift, druckte ihn aus und steckte ihn in einen billigen graublauen Briefumschlag. Dann tippte sie in den Computer: Frau Monika von Stein und ihre Hamburger Adresse. Oben drüber in Versalien: PERSÖNLICH!! Die ausgedruckte Anschrift schnitt sie aus und klebte sie auf den Briefumschlag. Sie versah ihn mit einer Marke und legte ihn mit der Anschrift nach unten auf ein Regal neben der Tür, wo sie kleine Dinge wie Haustürschlüssel, Autoschlüssel, Kleingeld oder Taschentücher abzulegen pflegte, die sie beim Weggehen nicht vergessen wollte.
    Schon seltsam, dachte sie, wie eine so winzige Aktion eine riesige Staubwolke aufwirbeln konnte, jedenfalls hoffte sie, dass sie genug Wind dafür gesät hatte. Sie hielt ihre Tat schon deshalb für gerechtfertigt, weil sie sich jetzt wesentlich besser fühlte. Wieder ein kleiner Schritt in Richtung Alexander, wenigstens war sie bereits genauso hinterhältig wie er.
    Sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, nach dem kleinen Hochgefühl meldete sich ihr Hunger. Kein Problem, sie konnte zwischen drei Pizzas im Kühlfach wählen. Während eine Pizza Hawaii langsam im Ofen bräunte und sich

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