Der Duft des Anderen
können Sie natürlich auch in seinem Büro auf ihn warten. Mich entschuldigen Sie bitte – ich bin leider schrecklich unter Druck.«
Monika war nicht oft in Joachims Firma gewesen, aber stets mit einem guten Gefühl. Heute kam sie sich vor wie in einem Verschwörungstempel. Hinter dieser ledergepolsterten Tür saß er also, der Homosexuelle, der Joachim verführt hatte. Und wer weiß, vielleicht waren in dieser Firma alle Männer homosexuell – der Kirch hätte sie sonst gar nicht eingestellt. Seine Sekretärin, die Lorenzen, die war sicher eingeweiht, das waren Sekretärinnen immer, auch wenn sie noch so bieder aussahen.
Monika streckte hochmütig das Kinn. »Der Herr eben ist nicht mein Mann gewesen, das war sein Zwillingsbruder. Guten Tag, Frau Lorenzen.«
Monika rauschte zur linken Tür hinaus, und Frau Lorenzen starrte ihr mit offenem Mund nach. Zwillingsbruder? Steinchen hatte einen –? Aber der hätte sich doch korrekt anmelden müssen – nun saß er schon drin beim Herrn Professor! Unangemeldet! Sie setzte sich seufzend die Kopfhörer wieder auf.
Dafür kann er mich nicht verantwortlich machen
, dachte sie, und hörte angestrengt noch einmal den letzten Satz ab.
***
Jan sah eine hohe Fensterfront und davor breitschultrig, bedrohlich wirkend, die Gestalt des Professors. Er saß an seinem Schreibtisch und war in ein Dokument vertieft. Als Jan eintrat, sah er zur Tür. »Joachim?«
Jan kam näher. Das Tageslicht fiel auf ihn, während der Professor im Schatten saß. Jan öffnete den Mund zu einer Erwiderung, doch Kirch sprang bereits auf. Er streckte die Hand aus, abwehrend oder entgegenkommend? »Sie sind nicht Joachim! Ah – Sie sind sein vielfach besungener Zwillingsbruder, habe ich recht?« Ein herzlicher Händedruck, ein offenes Lachen. »Schön, dass wir uns auch einmal kennenlernen.«
Das wird sich finden
, dachte Jan, und erwiderte den Händedruck. »Tut mir leid, dass ich so bei Ihnen hereingeplatzt bin.«
Alexander ging nicht auf die Entschuldigung ein. »Nehmen Sie doch Platz – Herr Matuschek, nicht wahr?« Dann nahm er seinen Platz hinter dem Schreibtisch wieder ein, ganz leicht nach vorn geneigt, beide Hände auf der Schreibtischplatte an den Fingerspitzen aneinandergelegt, sprungbereit. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Tee? Oder …« – Der Professor zwinkerte ihm doch tatsächlich zu – »etwas Härteres?«
»Nein, vielen Dank, ich möchte nichts. Ich bin in einer etwas heiklen Angelegenheit zu Ihnen gekommen.«
»Ja, das trifft auf die meisten meiner Besucher zu. Das Leben ist kein Zuckerschlecken, nicht wahr? Was kann ich für Sie tun, Herr Matuschek?«
Jan zog statt einer Antwort den zerknüllten und leidlich geglätteten Zettel aus der Tasche und reichte ihn über den Schreibtisch. Gespannt wartete er auf Kirchs Reaktion.
Kirch ließ sich so viel Zeit, wie man braucht, um den Satz fünfmal zu lesen, aber seine Miene blieb unbewegt. Schließlich reichte er den Zettel zurück. »Von wem haben Sie das?«
»Das, Herr Kirch, dürfte weniger von Belang sein als die Frage, ob das Geschriebene der Wahrheit entspricht.«
»Ja, es ist wahr. Darf ich Sie nochmals fragen, woher Sie das haben?«
Jan war beeindruckt von der Ruhe dieses Mannes, immerhin war es derselbe, der damals am Telefon so ausfallend geworden war. Aber vielleicht störte ihn diese Enthüllung nicht. »Es war heute Morgen in der Post – anonym.«
Alexander zuckte die Schultern und legte die Hände flach auf den Tisch. »Das hat Sie dann veranlasst, mich sofort aufzusuchen? Darf ich fragen, was Sie unser Liebesleben angeht?«
»Der Brief war an Joachims Frau gerichtet, also an meine Schwägerin. Und Monika – ich darf wohl Monika sagen? – geht die Sache entschieden etwas an.«
»Ja – das ist richtig.« Kirch legte die Fingerspitzen wieder aneinander. »Das dürfte dann eine Sache zwischen ihr und Joachim sein – oder haben Sie, Herr Matuschek, hier eigene Interessen?«
»Das, Herr Kirch, geht Sie nun wirklich nichts an. Ich vertrete Monika in dieser Sache, weil – wir wollen ehrlich sein – sie Ihnen einfach nicht gewachsen wäre.«
Alexander lächelte unmerklich. »Und Sie sind das, meinen Sie?«
»Hören Sie, Herr Kirch, ich will keinen Zweikampf mit Ihnen ausfechten. Wir sind nur hergekommen, um die Sache aufzuklären, ohne über jemanden den Stab brechen zu wollen.«
»Wir? Wer ist wir?«
»Monika und ich. Sie ist momentan bei Joachim.«
Zum ersten Mal zeigte Kirch
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