Der Duft des Anderen
Persönlichkeit. Und wer das so weit treibt wie dieser Sascha, der gehört in eine Klapsmühle.«
»Dann müsstest du auch alle Schwulen dort einsperren.«
Alexander lehnte sich zurück. »Ich bitte dich, Joachim! Jetzt bringst du die Dinge aber durcheinander. Ein Schwuler …« Alexander dämpfte seine Stimme – »ein Schwuler ist ein Mensch, der am vollkommensten in sich ruht: ein wacher Geist im adäquaten Körper, nach seinem Ebenbilde dürstend.«
Joachim hielt sich die Hand vor den Mund. »Eine etwas eigenwillige Interpretation der Homosexualität, Herr Professor.«
»Herr Dr. von Stein? Ich erwarte Ihre Gegendarstellung. Ich muss Sie aber darauf hinweisen, dass Sie eine eheliche Gemeinschaft eingegangen sind, wie sie nur der Plebs schließt, nämlich mit einer Frau. Daher lehne ich Ihren Kommentar jetzt schon als befangen ab.«
Sie witzelten noch eine Weile hin und her, das Ereignis Sascha war bald vergessen, abgehakt. Diese arme Frau spielte keine Rolle in ihrer Welt.
***
Jan und Monika kamen mit der Frühmaschine aus Sardinien zurück, Joachim war im Büro, und so hatten sie genug Zeit, sich zu akklimatisieren. Auf dem Weg nach oben hatte Monika die Post mitgenommen, Joachim hatte regelmäßig, während er nach Penelope sah, seine Post abgeholt, es war nicht mehr als sonst. Sie legte sie erst einmal auf die Fensterbank in der Küche. Meist waren es Rechnungen, Reklame, eine Postkarte von irgendeiner Freundin oder einer Tante. Aber die Post konnte auch unangenehme Überraschungen bergen. Monika wollte sich jedenfalls einen gemütlichen Kaffee mit Jan nicht durch eine Steuernachzahlung oder einen Bußgeldbescheid verderben lassen. Die Reise war ein so wundervolles Erlebnis gewesen, schönes Wetter sowieso, dazu eine unberührte Landschaft und ein stets gut gelaunter Jan an ihrer Seite.
Die Koffer standen noch auf dem Flur, ihren wollte sie später auspacken. Jan war in seinem Zimmer bereits dabei. Summend ging Monika in die Küche, um Kaffee zu machen. Leider konnten sie nicht auf dem Balkon essen, Hamburger Schmuddelwetter. Aber das konnte ihrer guten Laune nichts anhaben. Im Kühlschrank lag noch eine Rolle backfertiger Brötchen. Auch die Kiwimarmelade war noch nicht angebrochen, merkwürdig, die aß Joachim doch immer so gern.
Am Kaffeetisch wurden noch einmal die schönsten Erlebnisse aufgewärmt und das Frühstücken lange hinausgezogen. Dann räumte Monika ab, sah auf dem Fensterbrett die Post liegen und brachte sie mit ins Wohnzimmer. Sie blätterte sie durch. »Da ist was für dich, Jan, von deiner Mutter.« Sie warf ihm den Umschlag hin. Jan öffnete ihn sofort und begann zu lesen. Meistens erzählte sie nichts Neues, aber er las ihre Briefe gern, vor allem, weil sie schrieb, wie sehr sie sich darüber freute, dass Jan sich so gut mit seinem Bruder und seiner Schwägerin verstand.
Monika hatte einen graublauen Umschlag ohne Absender gefunden. Die Anschrift war aufgeklebt, merkwürdig. Sie riss den Umschlag auf, nahm ein zusammengefaltetes weißes Blatt heraus, darauf stand ein einziger Satz: »Wussten Sie, dass Prof. Alexander Kirch zu Ihrem Mann eine homosexuelle Beziehung unterhält?«
Monika ließ das Blatt mit einem Abscheu auf den Tisch fallen, als sei es eine Tarantel. Alle Urlaubserinnerungen zerfielen zu Asche. Joachim homosexuell? Wer erlaubte sich diesen geschmacklosen Scherz mit ihr? Wer hasste sie so, dass – ihr Blick fiel auf Jan, der in den Brief seiner Mutter vertieft war und nichts gemerkt hatte. »Jan?« Nicht einen Augenblick konnte sie an solchen Schmutz glauben. »Jan? Sieh mal, was in der Post war.«
Jan sah hoch, sah, dass Monika kreidebleich war. »Um Gottes willen, doch nicht eine Morddrohung?«
Sie wies stumm auf den Zettel, und Jan las. Er las den Satz dreimal, dann sagte er: »Hm, das würde einiges erklären.«
»Jan!«, schrie Monika, »wie kannst du so ruhig bleiben? Das ist doch eine widerliche Verleumdung! Glaubst du auch nur ein Wort davon?«
»Aber Monika!« Jan war erschrocken, wie heftig Monika darauf reagierte. »Wir haben doch lange vermutet, dass mit Joachim etwas nicht stimmt. Und jetzt diese Sardinienreise. Das war doch alles nicht normal.«
»Ja!«, schluchzte Monika und wischte sich wütend die Tränen ab. »Eine Geliebte, das haben wir geglaubt, aber doch keinen – keinen Mann! Oh Gott, Jan! Ein Verhältnis mit einem Mann! Wenn das wahr wäre. Stell dir diese Schande vor – ich …«
Jan nahm Monika in den Arm. »Beruhige dich
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