Der Duft des Anderen
Lorenzen sofort bemerkte und in ihrem Kalender anstreichen wollte.
Aber Kirch durfte nicht den Anschein von Hektik erwecken, daher nahm er die Brücke gern an, die ihm seine Sekretärin unabsichtlich gebaut hatte: »Ich werde Herrn Matuschek später anrufen. Danke.«
Zweimal danke und ein Lächeln
, dachte Inge Lorenzen,
der Besuch muss eine freudige Überraschung für ihn gewesen sein.
Dann fiel ihr der Brief ein. Er war fertig, es fehlte nur noch Kirchs Unterschrift. »Herr Professor …« Aber der war bereits in seinem Zimmer verschwunden. Inge beschloss, ihm den Brief nach der Mittagspause vorzulegen, immerhin war Steinchen noch drin, da wollte sie nicht stören. Da steckte der Dompfaff auch schon den Kopf durch die Tür und sagte: »In der nächsten halben Stunde möchte ich auf keinen Fall gestört werden, Frau Lorenzen.«
Joachim saß an dem runden Besprechungstisch und sah Alexander ratlos entgegen. »Eine schöne Bescherung, Alex. Was machen wir jetzt?«
Alexander setzte sich zu ihm, aber er hatte nicht vor, rücksichtsvoll zu sein. »Reg dich nicht auf! Deine Monika wird schweigen wie ein Grab, und auch scheiden lassen wird sie sich nicht.« Alexander griff sich theatralisch an die Stirn. »Oh, diese Schande!«
Langsam kam die Röte in Joachims Wangen zurück. »Du hast gut reden, Alex! Dich betrifft das alles nur am Rande, aber ich werde jetzt keine ruhige Minute mehr zu Hause haben. Wenn du wüsstest, was Monika mir alles an den Hals geworfen hat, ich wusste gar nicht, dass sie so biestig sein kann.«
»Alle Frauen sind biestig, Joachim, das wolltest du mir nie glauben.« Er stieß ihn an. »Reiß dich zusammen! Wie kannst du es nur zulassen, dass eine Frau ein Häufchen Unglück aus dir macht?«
»Und Jan?« Joachim starrte unglücklich auf die Tischplatte. »Was soll mein Bruder von mir denken? Da kommt ein Taxifahrer aus der ehemaligen DDR in mein Haus und muss erleben, dass der Herr Bruder, Doktor in Physik, eine miserable Ehe führt und außerdem noch schwul ist.«
Alexander wollte etwas erwidern, erhob sich dann aber, ging zu seinem Schreibtisch und nahm sich aus einer Schachtel eine seiner langen Zigarillos. Er zündete sie an, nahm einen Aschenbecher mit und ging langsam zu Joachim zurück. »Wolltest du mit deiner letzten Bemerkung andeuten«, fragte Alexander leise, »dass dies ein Makel sei?«
»Blödsinn!« Joachim wusste, wie empfindlich Alexander in dieser Sache war. »Ich meine nur, gesellschaftlich war das drüben nicht so wie hier …«
»Interessiert uns nicht!«, unterbrach Alexander ihn grob. »Was uns interessiert ist, wer hat diesen Wisch geschrieben?«
»Einer aus dem Club«, sagte Joachim spontan. »Wer weiß es sonst?«
»Das eben sollte uns beschäftigen. Wer weiß es sonst?«
Sie starrten sich an. »Sascha!«, stießen sie in einem Atemzug hervor.
Alexanders Blick umwölkte sich, seine flache Hand klatschte auf die Tischplatte. »Weiber!«, zischte er. »Verkleidete, geistesgestörte, frei herumlaufende Weiber! Siehst du, Joachim!« Er spießte ihn fast mit seinem Finger auf. »Das ist unser Problem. Und Fräulein Sascha wird vielleicht versuchen, uns weitere Probleme zu bereiten.«
Joachim nickte düster. »Du hast recht. Wir müssen herausbekommen, wer sie ist.«
Alexander tat einen tiefen Zug. »Ah ja, und dann?«
»Dann wirst du zu ihr gehen und dich für die Art, wie du sie bloßgestellt hast, entschuldigen. Das wird sie schon besänftigen. Sie hatte viel für dich übrig.« Jetzt wagte Joachim bereits ein Zwinkern, Alexander jedoch war auf diesem Ohr völlig taub.
»Wir müssen Sascha finden, da gebe ich dir recht«, grollte er, »aber eher trete ich in den Kirchenchor ein, als mich bei diesem Flittchen zu entschuldigen. Man wird ihr den Mund schon stopfen und nicht nur den, das verspreche ich dir.«
Joachim reckte sich, als müsse er eine Verspannung im Rücken lockern. Er fühlte sich schon besser. »Ach ja? Und an was hast du gedacht?«
»Ein Rollkommando von zehn oder zwanzig aufgegeilten Pakistanern beispielsweise sollte genügen. Ich kenne da ein Asylantenheim …«
Joachim wischte die indiskutable Bemerkung mit einer Handbewegung weg. »Ja, ja. Aber dazu müssen wir sie erst haben. Dass wir ihren Namen nicht kennen, daran ist deine Überheblichkeit schuld.«
»Du verwechselst Überheblichkeit mit meiner Menschenwürde, Joachim. Ich gebe allerdings zu, dass ich in meiner Erregung unüberlegt gehandelt habe. Natürlich hätten wir sie nicht
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