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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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eine Gefühlsregung, seine Hände ballten sich zu Fäusten. »So? Eine ausgeklügelte Zangenbewegung, wie?« Er erhob sich. »Wie konnten Sie unter diesen – äh – ungewöhnlichen Umständen mit dieser Frau ins Büro kommen? Sie wird einen höllischen Aufstand anzetteln, einen Skandal.«
    Jan erhob sich ebenfalls. »Und – wäre sie dazu nicht berechtigt, Herr Kirch?«
    »Nein. Hier stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel, beispielsweise auch der Ihres Bruders, Herr Matuschek. Die Atombehörde hält Homosexuelle immer noch für ein Sicherheitsrisiko. Auf wessen Seite stehen Sie eigentlich? Sie sind doch ein Mann!«
    »Das lässt sich nicht leugnen«, grinste Jan und überlegte flüchtig, ob sein eiskalt scheinendes Gegenüber insgeheim für sein Lächeln empfänglich war, schließlich war er Joachims Ebenbild. Dann wurde er wieder ernst. »Es wird nicht dazu kommen, das verspreche ich Ihnen.«
    »Wie können Sie das versprechen? Weiber sind unberechenbar.« Alexander eilte mit weit ausgreifenden Schritten zur Tür und riss sie auf. »Frau Lorenzen!«
    Inge schreckte hoch. »Herr Professor? Ich bin noch nicht ganz fertig …«
    »Bitten Sie Herrn von Stein und seine Frau zu mir herein. Sofort bitte.«
    Zuerst kam Joachim, unter seiner Sonnenbräune blass, Jans Blick ausweichend, hinter ihm eine verheulte Monika, die sich ein Taschentuch vor das Gesicht hielt. Dahinter versteckt beäugte sie den Professor: ein Mann wie ein Baum, gut aussehend, korrekt gekleidet, entsetzliche Krawatte, aber saubere Fingernägel, blitzblanke Schuhe. So hatte sie sich einen Homosexuellen nicht vorgestellt, es war eben wie bei den Taxifahrern, man kannte die Menschen einfach nicht richtig.
    Alexander würdigte sie keines Blickes. Er berührte Joachim sacht am Arm. »Es ist nichts geschehen, was drei vernünftige Männer nicht bewältigen könnten. Jemand möchte uns mit Dreck bewerfen, jemand, der zu feige ist, seinen Namen zu nennen. Hat es jemand in der Firma mitbekommen?«
    Joachim schüttelte den Kopf. Er war noch völlig benommen von Monikas Beschimpfungen. Sie war gekränkt, sicher, aber sie hatte ihn und seine Liebe zu Alexander mit den gemeinsten Worten belegt, hatte sie beide mit Zuchthäuslern, Kinderschändern und anderen Triebverbrechern verglichen. Soviel Hass hatte er nicht erwartet.
    »Niemand weiß etwas, Herr Kirch!«, zischte Monika und trat hinter Joachims Rücken hervor. »Oder glauben Sie, ich möchte, dass die ganze Welt von dieser Schande erfährt, dass mein eigener Mann sich mit seinem Chef nackt ins Bett legt und dann – und dann …« Ein Schluchzen erstickte ihre Stimme.
    Alexanders Brauen zuckten unmerklich, seine Augenlider senkten sich. »Frau von Stein.« Es war ganz offensichtlich unter seiner Würde, dieses verheulte Etwas anzusprechen. »Bitte vergessen Sie nicht, dass Sie diesem unsittlichen Verhältnis unter anderem einen angenehmen Sardinienurlaub mit Ihrem Herrn Schwager verdanken, mit dem Sie sicher nicht nur Steine und Muscheln gesammelt haben.«
    Keiner sagte etwas. Die Situation war zu peinlich. Nur Alexander ging – scheinbar unberührt – an seinen Schreibtisch und sagte mit geschäftsmäßiger Stimme. »Leider müssen wir wieder an unsere Arbeit denken. Ich muss alle Anwesenden bitten, jedwede Art von Ehedrama in den eigenen vier Wänden auszufechten. – Herr Matuschek, es hat mich sehr gefreut.«
    Jan, als sei er ihr Ehemann, berührte Monika am Arm und sagte »lass uns gehen.« Joachim sah hilflos zwischen allen Beteiligten hin und her und unternahm nichts. Während Alexander den Kühlen spielte, fühlte er sich wie gelähmt. Skandal, Scheidung, Arbeitsplatzverlust, Ächtung! All diese schrecklichen Vorstellungen prasselten gedanklich auf ihn nieder wie ein Unwetter.
    Er sah Jan und Monika den Raum verlassen, jäh fiel ihm ein, dass er Monika nicht ohne jede Geste, ohne jedes Wort gehen lassen durfte. Er machte Anstalten, ihnen nachzueilen, da sagte Alexander: »Joachim? Kannst du mir bitte bei diesem Absatz hier helfen? Du verstehst dieses Beamtenlatein aus Brüssel besser als ich.«
    Und Joachim drehte sich um und ging zu ihm. Alexander sah zur Tür. Er wartete einige Sekunden, dann ging er hin, öffnete und fragte: »Sind die Besucher fort?«
    »Sie haben soeben das Büro verlassen, Herr Professor. Aber der Pförtner erwischt sie bestimmt noch am Fahrstuhl, wenn Sie eine Nachricht –?«
    »Nein danke.« Alexander bemühte sich um die Andeutung eines Lächelns, was Inge

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