Der Duft des Blutes
vorbei, um ihr Bescheid zu sagen.
Die Sitzung lief schon seit einer halben Stunde. Der Raum war fast bis zum letzten Platz gefüllt, denn auch der Einsatzleiter der mobilen Truppe, einige Techniker und Männer des Observationsteams waren bei der heutigen Besprechung mit dabei. Möglichst unauffällig schlüpfte Sabine in den Konferenzraum und rutschte neben Hauptkommissar Ohlendorf auf einen leeren Stuhl.
„Das vermisst gemeldete Mädchen", sagte Kriminaloberrat Tieze gerade und linste durch seine Brille, die ihm wieder bis vor auf die Nasenspitze gerutscht war, auf das Papier vor sich, „Lilly Maas, wurde gegen elf in der Klinik in Eppendorf eingeliefert. Sie hat einen Streifschuss am Arm, den der Arzt als unbedenklich einstuft. Ansonsten konnte der Arzt -außer ein paar blauen Flecken -keine Verletzungen feststellen. Die seelischen Schäden, die das Mädchen durch die Entführung und den vermuteten Missbrauch erlitten hat, sind noch nicht abzusehen. Eine Kinderpsychologin kümmert sich um sie. Wir hoffen eine brauchbare Aussage zu bekommen, doch das kann dauern."
Thomas Ohlendorf beugte sich zu Sabine hinüber. „Was tust du hier? Du bist bis auf Weiteres krankgeschrieben!", raunte er.
„Von wem?", zischte Sabine. Uwe und Klaus drehten sich um und winkten ihr zu.
„Professor Langberger."
„Verdammt, kann mich so ein Seelenklempner einfach vom Dienst suspendieren?", ereiferte sie sich. Kriminaloberrat Tieze unterbrach seinen Vortrag und sah zu ihr hinüber.
„Frau Berner, es freut mich ja, dass Sie sich entschlossen haben, auch noch zu erscheinen, aber sind Sie nicht krankgeschrieben?" Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern fuhr fort: „Dennoch ist es ganz gut, dass Sie da sind. Kollege Lodering hat schon einiges über Ihren -sagen wir ungewöhnlichen Einsatz berichtet, doch so manche Frage ist offengeblieben, und es wäre mir sehr recht, wenn Sie diese Lücken füllen und mir sagen könnten, wie es zu so etwas kommen konnte!"
Sein kalter Tonfall ließ sie deuüich spüren, was er von solch riskanten Einzelgängen hielt. Stockend beantwortete Sabine seine Fragen.
„Und wohin ist der angeblich so schwer Verletzte verschwunden?", fragte der Kriminaloberrat.
„Er nahm sich meinen Wagen und fuhr Richtung Hamburg. Ich folgte ihm in einem Streifenwagen. Ich dachte, er fährt zu seinem Haus in Blankenese, doch dort war er nicht."
„Apropos Streifenwagen. Die Kollegen aus Wedel haben höflich angefragt, was aus ihrem Fahrzeug geworden ist. Sie hätten es -wenn möglich -gerne zurück. Wo haben Sie es denn gelassen?"
Sabine versuchte den Sarkasmus zu überhören. „Der Wagen steht in der Speicherstadt beim Sandthorquaihof."
Karsten Tieze schwieg einen Augenblick verblüfft. „Warum denn das?"
„Dort hat Herr von Borgo mein Auto abgestellt", antwortete Sabine widerstrebend. Alle Augen waren auf sie gerichtet, und sie kam sich wie bei einem Verhör vor.
„Und Sie haben es ganz zufällig dort gefunden?"
Die Kommissarin schluckte. „Nein, nicht ganz zufällig. Ich habe Herrn von Borgo einmal in der Speicherstadt getroffen, und da erzählte er mir, er habe in der Nähe ein Domizil -so drückte er sich aus. Wo das genau ist, hat er allerdings nicht erwähnt, deshalb bin ich durch die Speicherstadt gefahren", gab sie widerstrebend zu. Die gepachteten Böden im Speicher P erwähnte sie nicht.
„So, so, in der Nähe der Speicherstadt. Sie haben nicht zufällig daran gedacht, Ihre Kollegen zu verständigen, als Sie Ihren Wagen dort entdeckten? Wäre doch möglich gewesen, dass wir den Flüchtenden aufspüren."
Die Kommissarin wich seinem anklagenden Blick aus. „Ja, also, ich..."
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und ein kleines Mädchen drückte sich durch den Spalt. Nervös an seinen Fingern herumkauend, ließ das Kind den Blick schweifen, bis es die Mutter entdeckte. Ein Strahlen erhellte sein Gesicht. Zielstrebig eilte es auf die Kommissarin zu. Karsten Tieze schob seine Brille ein Stück höher und sah fassungslos zu Julia hinüber, die sich nun eng an Sabine drückte.
„Was ist das für ein Kind?", fragte er verwirrt. „Frau Berner, was hat es hier zu suchen?"
Sabine legte schützend die Arme um das Mädchen. „Das ist meine Tochter Julia. Sie lebt bei meinem geschiedenen Mann, doch er hat sie mir gestern überraschend vorbeigebracht." Entschuldigung heischend sah die Kommissarin den Kriminaloberrat an. „Ich wusste heute Morgen nicht, wo ich sie lassen soll."
„Aha",
Weitere Kostenlose Bücher