Der Duft des Blutes
wieder in ihre Manteltasche. Warum? Was ging hier vor sich?
Sabine war zu erschöpft, um weiter darüber nachzudenken. Ihr Hals schmerzte wieder, und in ihrem Kopf hämmerte es. Gebeugt tappte sie zur Tür. Doch was war das? Etwas glitzerte dort drüben auf dem Boden, direkt an der Bretterwand. Sabine bückte sich und griff nach dem Schlüsselbund -ihrem Schlüsselbund. Ihr Blick wanderte an der Bretterwand entlang. Klang sie nicht hohl? Noch einmal rief sie nach Peter, dann wandte sie sich um und schleppte sich die Treppe hinunter zu ihrem Wagen.
Wie in Trance fuhr sie nach Hause. Sie sehnte sich nach einer Brust, an die sie sich lehnen konnte, nach starken Armen, die ihr Schutz gaben, doch sie wusste, dieser Wunsch war vergeblich. Ob wenigstens Lars noch wach war? Er könnte noch ein wenig bei ihr sitzen, solange sie einen Tee trank, doch obwohl sie mehrmals bei ihm klingelte, rührte sich in der Nachbarwohnung nichts. Seufzend gab Sabine es auf. Ihre Zähne schlugen schon wieder unkontrolliert aufeinander, ihre Hände zitterten, als sie versuchte, den Schlüssel ins Schloss zu schieben. Mit letzter Kraft schob sie die Wohnungstür auf.
Warum brannte im Wohnzimmer Licht?
Mit einem Mal war die Schläfrigkeit verschwunden. Mit klopfendem Herzen schlich die Kommissarin den Flur entlang und lugte um die Ecke. Das Bild, das sich ihr bot, trieb ihr die Tränen in die Augen.
Ihr Exmann, Jens Thorne, saß zusammengesunken mit hängendem Kinn auf dem Sofa, auf seinem Schoß zusammengekringelt, in eine warme Decke gehüllt, lag Julia, friedlich schlafend. Ein Schluchzen entrang sich Sabines Kehle, als sie ihre Tochter dort liegen sah, die Wangen gerötet, den Daumen fest im Mund, das blonde Haar wie einen Engelsschein um ihren Kopf. Ein Schnarchen ließ Jens' Kehle erzittern und ging dann in ein Schmatzen über. Das Kinn klappte nach oben, die Augen flatterten.
„Verdammt, Sabine, wo warst du so lange?", maulte er schläfrig und gähnte dann herzhaft. „Ich habe dir dreimal auf deine Mailbox gesprochen!"
„Tut mir leid, ich bin nicht dazu gekommen, sie abzuhören", seufzte Sabine und ließ ihren Mantel zu Boden gleiten. Plötzlich saß Jens kerzengerade auf dem Sofa.
„Himmel, wie siehst du denn aus?", rief er entsetzt.
Sabine ließ den Blick an ihrem blutverschmierten Unterhemd herabgleiten. „Ich glaube, ich muss mal unter die Dusche."
Julia regte sich und schlug die Augen auf. „Mama!" Ein Strahlen huschte über das Kindergesicht. Sie warf die Decke von sich und flog in Sabines Arme.
„Du bist schmutzig!", rügte das Kind mit strenger Stimme. „Du musst dich waschen!"
„Genau das werde ich jetzt tun", sagte die Kommissarin und hob das Kind auf ihre Arme. „Und der Papa kocht mir solange einen schönen Tee und schmiert mir zwei Scheiben Brot!"
„Wenn's sein muss", murrte Jens und trollte sich in die Küche. „Aber dann erzählst du mir, was du nun schon wieder angestellt hast."
Das Ende eines Mörders
Den Wecker um sieben überhörte Sabine, und auch als das Morgenlicht durch die Fenster kroch, rührte sie sich nicht. Es war nach neun, als sie erwachte und sich verwirrt die Augen rieb. Julia, die irgendwann in der Nacht in ihr Bett gekrochen war, räkelte sich, gähnte und kuschelte sich dann wieder an ihre Mutter. Sabine zog sie an sich und vergrub ihre Nase in dem duftenden Kinderhaar.
Was war heute für ein Tag? Montag! Mit einem Schrei fuhr Sabine hoch. Trotz Julias Protest stieg sie aus dem Bett und wankte ins Wohnzimmer. Jens war schon weg. Nur das Bettzeug lag noch unordentlich auf dem Sofa, eine Kaffeetasse stand auf dem Tisch. Schnell zog sich Sabine an, gab Julia ihre Schokopops und klingelte dann bei Lars, doch niemand öffnete. Auch Ingrid musste bedauernd ablehnen. Sie hatte Dienst und das „Ragazza" war nicht der geeignete Ort für Kinder. Es blieb der Kommissarin also nichts anderes übrig, als Julia mit ins Präsidium zu nehmen. Sie brachte das Kind zur „Sitte", einen Flur weiter, und schob es in das Spielzimmer, das die Kollegen für missbrauchte Kinder eingerichtet hatten.
„Pass auf, mein Schatz, gegenüber sitzt Frau Reinberg. Wenn du etwas brauchst, dann gehst du zu ihr hinüber. Ich bin dort drüben im Besprechungszimmer. Wenn die Sitzung vorbei ist, dann komme ich gleich wieder, ja? Du spielst hier brav, dann geht die Zeit ganz schnell vorbei." Sie kniete nieder und nahm ihre Tochter in die Arme, dann sah sie noch bei der Sekretärin des Sittendezernats
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