Der Duft des Blutes
Kommissarin schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich begreife das nicht. Ich dachte, er liegt im Sterben." Mit steifen Fingern zog sie ihren Mantel über.
Der Arzt umrundete den Ballenstapel, leuchtete in die Ritzen und schritt dann zur Scheune hinüber, doch der Verletzte schien wie vom Erdboden verschluckt.
„Er war in die Brust und in den Rücken getroffen", murmelte Sabine und schlang den Mantel enger um sich. „Er hat viel Blut verloren. Ich habe es gesehen und gefühlt."
Verwirrt stand sie zwischen zuckendem Blaulicht und umhereilenden Uniformierten mitten auf der Wiese. Die Türen des ersten Rettungswagens wurden geschlossen, um Lilly in die Kinderklinik zu bringen. Sabine sah dem Wagen nach, bis er hinter der Böschung verschwand. Da kam Sönke keuchend zu ihr und fasste sie am Arm.
„Dein Wagen ist weg!"
Sabine griff in ihre Manteltasche. Der Schlüssel war verschwunden. Entschlossen schritt sie zu dem nächsten Streifenwagen.
„Was hast du vor?", rief ihr Sönke nach, doch sie gab keine Antwort.
„Ich brauche kurz Ihren Wagen", sagte sie barsch zu dem jungen Polizeimeister, der neben dem Streifenwagen stand, und schwang sich auf den Fahrersitz.
„He, das geht doch nicht!", rief er entsetzt und zog vergeblich an der von innen verriegelten Tür. Der Motor heulte auf, dann schoss der Wagen davon. Der junge Polizist wollte hinterherlaufen, doch Sönke packte ihn am Ärmel.
„Kriminalpolizei, LKA 41 Hamburg", knurrte er. „Wenn Oberkommissarin Berner Ihren Wagen braucht, dann geht das schon in Ordnung."
„Hamburg?", fragte der junge Mann verwirrt. „Aber Sie sind hier doch gar nicht zuständig. Wir müssen in Kiel Bescheid sagen."
Sönke nickte und verzog gequält das Gesicht. Das würde eine lange Nacht werden.
Der Vampir drückte das Gaspedal durch. Dunkel glänzend quoll Blut aus den Schusswunden, durchweichte Hemd und Jacke und rann ihm Brust und Rücken hinunter. Lähmende Kälte breitete sich in seinem Körper aus. Er fühlte eine Schwäche, wie er sie -trotz zahlreicher Verletzungen -noch nie gespürt hatte. Er war noch nicht über Rissen hinaus, als er merkte, wie seine Beine taub wurden. Er hatte viel Blut verloren, zu viel Blut, selbst für einen Vampir. „Ich muss mich stärken", murmelte er, „sofort!" Peter von Borgo verließ die Hauptstraße und fuhr durch Sülldorf, doch obwohl er an einigen nächüichen Spaziergängern vorbeikam, zögerte er, sie sich zu greifen. Sein Geist war geschwächt, sein Blick getrübt, rote Flecken tanzten vor seinen Augen. Kaum wusste er noch, wohin er den Wagen lenkte. Die letzten Häuser blieben zurück, das Scheinwerferlicht huschte über eingezäunte Wiesen. Drei Gebäude, um einen quadratischen Hof gruppiert, tauchten aus der Dunkelheit auf. Ein Reiterhof! Schlingernd brachte Peter von Borgo den Wagen am Wegesrand zum Stehen. Langsamer noch, als es Menschen sind, tappte er unsicher auf den lang gezogenen Stall zu. Der warme Geruch von Pferden schlug ihm entgegen, als er leise die Tür öffnete. Der Vampir taumelte gegen die erste Box. Die braune Stute hinter der Gittertüre schnaubte ängstlich und legte nervös die Ohren nach hinten. Mit zitternden Händen schob der Vampir das Gitter zur Seite und trat in die Box. Das Pferd wieherte und wich an die Wand zurück, doch Peter von Borgo hob seine Hand und legte sie der Stute auf die Nüstern.
„Ruhig, ganz ruhig, meine Gute", hauchte er und strich über das glänzende Fell an ihrem Hals. Die braunen Augen sahen ihn fragend an, als er seine Zähne tief in ihre Flanke schlug, doch das Tier stand ruhig da, bis er von ihm abließ. Noch einmal streichelte er die Stute, dann ging er in die nächste Box.
Nach dem dritten Mahl fühlte er, wie seine Kräfte zurückkehrten. Noch immer floss Blut aus seinen Wunden, doch der Schleier vor seinen Augen verschwand und das Dröhnen in seinem Kopf ließ nach. Der Vampir eilte zum Wagen, wendete und fuhr zur Hauptstraße zurück. Es wurde Zeit, sein schützendes Domizil aufzusuchen, bevor die Schwäche zurückkehrte.
Sabine folgte dem Rettungswagen den schmalen Weg durch die Marsch, dann raste sie mit Blaulicht durch Wedel. Hinter Rissen verließ sie die Hauptstraße und fuhr nach Blankenese. Bevor sie in den Baurs Park einbog, schaltete sie das Blaulicht aus. Die Versicherung des Observationsteams, dass hier keiner rein-oder rausgekommen sei, genügte ihr nicht. Sie ließ sich die Tür öffnen, schaltete ihre Lampe ein und lief dann mit langen Schritten
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