Der Duft des Blutes
zu bedenken, als sie sich hinter ihm auf die Hayabusa schwang und die Arme um seine Mitte legte. „Soll ich nicht lieber im Präsidium anrufen?"
„Nein", sagte er fest und startete den Motor. „Vertraue mir!"
Das Motorrad schoss davon in die Nacht. Sie jagten auf die neuen Eibbrücken zu und flogen dann über die Autobahn bis Moorfleet. Sabine drückte ihr Gesicht in Peters Rücken. Der eisige Fahrtwind trieb ihr die Tränen in die Augen. Verschwommene Schatten huschten vorbei. Unter ihnen blitzte die Elbe im Sternenlicht, dann war sie schon verschwunden. Die Straße machte einen scharfen Knick, doch Peter von Borgo raste weiter. Sabine schrie auf, als das Hinterrad ausbrach. Sie schlitterten durch die Kurve, doch er fing das schwere Motorrad geschickt ab und jagte weiter zwischen Obstplantagen und Gewächshäusern nach Süden. Kleine Teiche und geduckte Bauernhäuser flogen vorbei, dann endlich drosselte Peter von Borgo die Maschine. Er holperte einen schmalen Feldweg entlang, bremste dann und drehte den Schlüssel herum. Das Motorengeräusch erstarb.
„Du wartest hier, bis ich zurückkomme!", befahl er Sabine und schwang sich von seinem Sitz. „Dort vorn, am Ende des Weges, steht ein altes Bauernhaus. Dort hat er sich verkrochen!"
Kaum hatte er die Worte gesprochen, war er verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Verwirrt drehte sich Sabine im Kreis. Sie lauschte in die Nacht. Ein schmaler Mond erhob sich über dem flachen Land, Sterne funkelten am blau-schwarzen Himmel. Ungeduldig starrte Sabine immer wieder auf ihre Uhr, doch die Sekunden flössen nur träge dahin. War dort hinter der Biegung nicht ein Lichtschein? Entschlossen folgte Sabine dem von Unkraut überwucherten Weg, bis er nach links abbog. Da tauchte auch schon das Haus auf. Schemenhaft, mit üef gezogenem Dach, von verkrüppelten Weiden eingerahmt. An der Rückseite des Hauses zog sich schnurgerade ein breiter Entwässerungsgraben entlang, dahinter erhob sich ein Damm.
In einem Bogen schlich Sabine geduckt näher. Zwei verrostete Fässer, ein paar niedrige Sträucher und ein Baumstumpf boten ihr Deckung. Gedämpft durch dichte Vorhänge, drang Licht aus den kleinen, quadratischen Sprossenfenstern und spiegelte sich in einem silbergrauen Wagen, der vor dem Haus parkte, wider. Unschlüssig kauerte Sabine hinter einer verkrüppelten Weide und beobachtete das Haus. Nichts regte sich, doch plötzlich erscholl der wütende Schrei eines Mannes und kurz darauf Julias heller Ruf. Sabine packte den nagelbestückten Holzpflock, der zu ihren Füßen im Gras lag, und rannte zur Tür hinüber. Den Stock mit beiden Händen umklammert, stieß sie mit dem Fuß die Tür auf und stürmte in das niedrige Zimmer. Als Erstes fiel ihr Blick auf Björns Gesicht. Ungläubiges Erstaunen stand in den weit aufgerissenen Augen. Sabine sah Peter von Borgos Rücken und seine Arme, die Björn umklammerten, sein Kopf war über Björns Hals gebeugt.
„Mama!", schrie Julia auf und rutschte aus dem tiefen, verschlissenen Ohrensessel an der Wand. Sabine ließ den Pflock fallen und zog ihre Tochter in die Arme.
„Mama, der Mann hat Björn gebissen!"
„Ja, ist schon gut, mein Schatz." Sie hob das Kind auf ihre Arme. Da drehte sich der Vampir um. Er ließ sein Opfer zu Boden fallen, wo es mit geschlossenen Augen liegen blieb. Außer einem Kratzer am Hals konnte Sabine keine Verletzung erkennen, und doch war er erschreckend bleich.
„Ist er tot?", fragte die Kommissarin erschrocken. Es kam ihr vor, als wandle sie durch einem furchtbaren Albtraum.
„Noch nicht, aber bald", antwortete der Vampir kalt.
„Nein, nein, das darfst du nicht tun!", rief Sabine aufgeregt. „Das ist Totschlag -auch wenn er es verdient hat. Bitte, bring dich nicht in Schwierigkeiten." Doch Peter von Borgo hörte nicht auf sie.
„Warte fünf Minuten, dann kannst du deine Kollegen verständigen, aber denke daran -ich war nicht hier! Du kannst ihnen ja sagen, er hätte euch beide mitgenommen."
Julia sah den Vampir aufmerksam an. „Warum sagst du, du bist nicht da gewesen? Ich seh dich doch! Und warum hast du ihn gebissen?"
Ein winziger Blutstropfen schimmerte in seinem Mundwinkel, als der Vampir seine Lippen zu einem Lächeln öffnete.
„Du bist ganz schön neugierig für dein Alter." Er näherte sich dem Kindergesicht und sah in die großen blauen Augen. „Schlaf, Kleines, schlaf und vergiss, was du hier gesehen hast", hauchte er und drückte sanft ihre Lider zu.
„Ich kann Thomas
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