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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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War ihnen wirklich etwas passiert? Oder waren sie aus ihrem alten Leben geflohen? Oder einfach nur ein paar Tage verreist? Die Gedanken entglitten ihr. Das Mädchen nahm immer mehr die Züge von Julia an. Das Kind lief durch einen dunklen Wald, Zweige peitschten in sein Gesicht, Panik verzerrte seine Züge. Immer wieder sah sich das Kind gehetzt um. Ein Mann huschte lautlos durch das Unterholz. Unerbittlich kam er näher. Sabine erkannte das weiße Gesicht und das schulterlange schwarze Haar. Unruhig wälzte sie sich von einer Seite auf die andere. Sie versuchte zu laufen, wollte zu ihrer Tochter, doch etwas hielt ihre Beine fest. Ihre Lippen formten die Worte, doch kein Laut wollte über sie kommen.
    Das Kind schrie. Der Fremde hatte das Mädchen fast erreicht, als er plötzlich innehielt und sich Sabine zuwandte. Ganz langsam kam er näher, unaufhaltsam, Stück für Stück. Sie konnte das Feuer hinter seinen Augen lodern sehen und spürte den eiskalten Atem im Gesicht. Wie Fesseln legte er seine Arme um sie, Finsternis drohte sie zu verschlingen, ein heißer Schmerz durchzuckte ihre Glieder. Sabine wand sich und stöhnte, doch plötzlich merkte sie, dass sie in ihrem Bett lag, das Kissen fest an ihre Brust gedrückt. Die flehenden Schreie ihrer Tochter verklangen.
    Sabine fühlte ihr Herz rasen. War sie wach? Hatte der Albtraum sie freigegeben? Nein, der Fremde war noch immer da. Sie konnte ihn fühlen. Er war ganz in ihrer Nähe. Wenn sie jetzt die Augen öffnete, dann würde sie ihn sehen, wie er auf ihrer Bettkante saß und sie aus brennenden Augen betrachtete. Kalte Finger legten sich auf ihre Stirn. Ihr Herz setzte einen Moment lang aus, um gleich darauf umso heftiger zu schlagen, doch dann sank sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Peter von Borgo erhob sich. Stunden hatte er an ihrem Bett zugebracht, nun wurde es Zeit, seine Gier zu stillen, ehe er in sein Versteck auf dem Teeboden im Block P der Speicherstadt zurückkehrte.
    Bevor er die Wohnung verließ, schlüpfte er noch ins Bad. Er roch an ihrem weißen Frotteebademantel, öffnete die Fläschchen und Cremedosen und ließ den Duft um sich aufsteigen. Da fiel sein Blick auf den Wäschekorb. Mit spitzen Fingern hob er den Deckel, legte T-Shirts und Socken auf den Boden, eine graue Stoffhose, ausgeblichene Jeans, einen satinglänzenden BH, ein dunkelrotes Höschen mit Spitzeneinsatz, zwei schwarze, schmal geschnittene aus Baumwolle. Und dann fand er das, worauf er gehofft hatte: das dunkelblaue Satinnachthemd. Er versenkte sein Gesicht in dem glatten Stoff und sog ihren Geruch in sich auf. Eine Weile verharrte er so, dann stopfte er die Wäschestücke zurück in den Korb. Nur das Satinhemd behielt er, verbarg es unter seinem Mantel und verließ die Wohnung.
    Den Tag über ruhte er in seiner schmalen Kiste hoch über dem Wandrahmsfleet, den Kopf in Sabines Nachtgewand gebettet. Der Geruch nach Tee, nach Kakao und Gewürzen wurde nun durchzogen von dem süßen Duft ihrer Haut, ihres Haares und ihres Blutes.
    Den ganzen Tag gingen der Kommissarin die Bilder nicht mehr aus dem Kopf, und auch am Freitag ließen sie sich nicht vertreiben. Wo waren das kleine Mädchen und seine Mutter? Nur schwer konnte sie sich auf die Befragungen konzentrieren. Am Nachmittag klappte sie die Akte „Karl Eduard Meschke" energisch zu.
    „Wahrscheinlich sind die beiden längst wieder aufgetaucht, gesund und quietschvergnügt", murmelte Sabine, während sie die neuesten Eintragungen der Vermisstendatei aufrief.
    „Edith Maas, Künstlername Ronja", erschien auf dem Bildschirm. „Alter: 26 Jahre, Größe ca. 175 cm, blaugraue Augen, schwarz gefärbtes, langes Haar."
    Sabine wechselte auf die nächste Seite.
    „Lilly Maas, Alter: 6 Jahre, Größe ca. 110 cm, blaue Augen, langes, rotblondes Haar, gelockt, kleine Narbe neben dem linken Auge."
    Darunter stand die Telefonnummer des örtlichen Polizeikommissariats. Sabine Berner griff zum Hörer.
    „Berner, LKA 41, hallo, können Sie mir Auskunft über zwei in Ihrem Bezirk vermisste Personen geben? Edith und Lilly Maas, ja, die Meldung wurde gestern Nachmittag gemacht. Danke, ich warte."
    „Richter", meldete sich eine weibliche Stimme. Sabine Berner stutzte.
    „Sandra?", fragte sie zögernd. „Sabine Berner hier."
    „Hallo, Sabine, wie geht es dir? Was will das Morddezernat denn von uns kleinen Kripoleuten am Steindamm?"
    „Ich wusste gar nicht, dass du zur Kripo gewechselt hast. Ach, das waren noch Zeiten, als wir zusammen auf

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