Der Duft des Blutes
Rissener Landstraße durch den Waldpark, die Mondsichel verbarg sich hinter Wolken, vielleicht würde es doch wieder regnen. Versteckte Villen hinter Gittertoren huschten im Lichtschein vorbei. Der Vampir beschleunigte die schwere Maschine. Der Fahrtwind blies ihm mit aller Macht ins Gesicht und zerrte an seinem Haar. Bald schon hatte er Rissen erreicht.
Langsam fuhr er den Klövensteenweg entlang. Hinter der Brücke stellte er die Maschine ab. Er verließ den Weg und lief durch den Wald. Der Himmel hatte sich nun völlig verdunkelt. Windböen rauschten in den gelb verfärbten Birkenwipfeln und trieben dichte Wolkentürme von Westen heran.
Der Rausch der Nacht weckte den Wolf in ihm. Sein Geheul stieg zu den windzerzausten Wipfeln empor. Der Vampir folgte der Spur eines Fuchses ins dichte Unterholz, überquerte eine Lichtung, auf der ihn zwei Rehe aus ängstlichen braunen Augen anstarrten. Es roch nach feuchtem Gras und moderndem Laub. Er witterte den Dachs tief unten in seinem Bau und die Mäuse, die flink in ihren Löchern verschwanden. Nach dem breiten Feldweg, den er überquerte, begann das Schnaakenmoor. Birken ragten aus der glänzenden Wasserfläche, totes Holz, ineinander verhakt, dämmerte seinem Zerfall entgegen. Frösche quakten und malten Kreise in den dunklen Spiegel. Die ersten Tropfen fielen, dann rauschte der Regen herab, sprang von Blatt zu Blatt und tropfte dann auf weichen Waldboden und ins moorige Wasser.
Peter von Borgo blieb stehen und sog die Nachtluft in sich ein. Der ganze Kosmos mit seinem Werden und Vergehen in einem einzigen Atemzug. Plötzlich stutzte er. Der Tod drang ihm in die Nase, ganz leicht, vermischt mit den gewohnten Gerüchen des Waldes, doch unverkennbar. Es war kein Fuchs, der hier, von den Würmern zerfressen, der Erde zurückgegeben wurde, und auch kein Reh oder Hase, da war sich der Vampir sicher. Dort, irgendwo in dieser grauen Wasserfläche, zwischen den schwarz-weißen Birkenstämmen, lag ein Mensch, und er war tot. Einige Augenblicke lang blieb Peter von Borgo am grasigen Ufer stehen, doch dann trieb ihn die Neugier vorwärts. Das Wasser ging ihm bis zu den Waden, manches Mal reichte es auch bis an die Knie. Der Grund unter seinen Füßen war schlammig und von einem Gewirr aus Asten und Zweigen übersät. Langsam schritt er weiter. Die Kälte des Wassers spürte er nicht.
Der Vampir duckte sich unter Zweigen hindurch und kletterte über modernde Stämme, immer dem Geruch des Todes folgend, der stärker und stärker wurde. Da endlich entdeckte er die Leiche. Sie sah aus, als würde sie über dem Wasser schweben, die Arme weit ausgebreitet, den Kopf in den Nacken gelegt, das lange Haar wie ein Fächer um sich ausgebreitet.
Peter von Borgo ließ sich auf einem aus dem Wasser ragenden Baumstumpf nieder, stützte das Kinn in die Hände und betrachtete die Tote nachdenklich. Sie lag auf zwei umgestürzten Birkenstämmen, die knapp über dem Wasser aufragten. Ihre Arme ruhten auf einem Gewirr aus dünnen Zweigen, das Haar und die durchsichtigen roten und schwarzen Tülltücher, die sie außer ihrer Wäsche trug, schienen sorgfältig um sie ausgebreitet. Ihre Augen waren geschlossen, das Gesicht makellos geschminkt. Es war kein Blut geflossen. Wie war sie gestorben? Peter von Borgo trat vorsichtig näher und verschob mit dem Zeigefinger den Tüllschal um ihren Hals. Erwürgt. Wie geschickt der Mörder die hässlichen Male mit dem Tuch kaschiert hatte! Der Vampir strich über ihre von Rouge geröteten Wangen, doch plötzlich erfasste ihn eine unbeschreibliche Wut. „Ronja, du warst mein! Wie habe ich mich bezähmt und meine Lust beschnitten, um dir dein Leben nicht gleich zu nehmen, und nun wirfst du es sinnlos an einen anderen weg! Du hast mich fortgeschickt, weil ich dich zu sehr schwäche, und nun? Was hast du nun davon? Jetzt fressen dich die Würmer, dein schöner Leib verfault, und dein süßes Blut verdirbt ungetrunken."
Mit einem Seufzer ließ er sich wieder auf den Baumstumpf sinken und betrachtete die Tote noch einmal aufmerksam. Da huschte ein Lächeln über seine Lippen.
„Und doch darfst du noch einmal meinen Plänen dienen, schöne Ronja. Du wirst ein Werkzeug sein in meiner Hand. Was meinst du: Ob sich die Frau Kommissarin der Mordkommission für dich interessiert? Ich glaube, es wird Zeit, in die Ermittlungen der Kriminalpolizei ein wenig einzugreifen."
Der Vampir zog sich in seine Villa zurück und ließ die Finger über die Tasten seines Flügels
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