Der Duft des Blutes
gleiten, bis der Morgen graute und die Sonne sich anschickte, zwischen den vom Wind zerrissenen Wolken zu erscheinen, doch sein Plan war immer noch nicht perfekt. So verbrachte Peter von Borgo eine weitere Nacht im Schnaakenmoor und sah nachdenkhch auf die Leiche hinab, dann fuhr er zurück. An einer Telefonzelle am Bahnhof von Blankenese hielt er an. Langsam tippte er die Nummer von Sabine Berner. Es war vier Uhr morgens.
Achtmal klingelte das Telefon, die ersten beiden Male als störendes Geräusch in einem bedrückend erotischen Traum, die nächsten beiden im Moment verwirrten Erwachens, dann zweimal, während sie schwankte: War es ein übler Scherz, oder war etwas passiert? Konnte es Thomas sein? Aber sie hatten an diesem Wochenende doch gar keine Bereitschaft. Fluchend rappelte sich Sabine auf und tappte in den Flur.
„Berner." Als Erstes hörte sie zwei lange Atemzüge. „Hallo! Wer ist da?", rief sie ungeduldig.
„Wenn ich einen alten Meister zitieren dürfte, dann würde ich sagen: Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft", tönte eine dunkle Stimme aus dem Hörer.
Sabine gähnte herzhaft. „Ja und? Außerdem dachte ich, es wäre andersherum."
Ein leises Lachen hüllte sie ein. „Gut pariert. Trotz Ihres Gähnens scheint Ihr Geist hellwach zu sein -wie man es von einer Oberkommissarin der Mordbereitschaft beim LKA ja auch erwarten kann."
„Dann kommen Sie mal zur Sache, es ist Sonntag, ich habe keine Bereitschaft, und ich würde gerne noch einige Stunden schlafen." Ein Spinner, eindeutig -warum legte sie nicht einfach auf? Zumindest war er ein gebildeter Spinner. Und überhaupt, woher hatte er ihre Telefonnummer?
„Ich möchte Ihnen ein Rätsel aufgeben, über das Sie nachdenken sollten. Vielleicht werden Sie es lösen, vielleicht auch nicht."
Sabine schob das Telefon in die Linke und griff nach einem Stift, obwohl sie sich über sich selbst wunderte, dass sie das merkwürdige Spiel nicht sofort beendete.
„Das Rätsel handelt vom Tod und vom Leben, von der Schönheit und vom Zerfall. Offnen Sie Ihre Sinne, damit Ihnen nichts entgeht. Vieles am Lauf der Welt können wir ändern, doch eines bleibt: Am Ende steht unweigerlich der Tod."
Sabine spürte, wie die Kälte an ihr heraufkroch.
Sönke Lodering kam am Montagmorgen mit einem Berg Akten unter dem Arm ins Büro und ließ sie mit einem Stöhnen auf den Tisch fallen.
„So'n Kram da", knurrte er.
„Was ist denn das?", fragte Sabine, die bleistiftkauend vor einem beschriebenen Blatt saß.
„Alles über Kalle und Kumpane!", grunzte Sönke und nickte in eine unbestimmte Richtung. „Von drüben."
Sabine legte den Kopf schief, um die Beschriftung zu erkennen.
LKA 7, organisierte Kriminalität stand auf den kleinen gelben Schildchen am Rand.
„Und was machst du?", fragte Sönke und räkelte sich ausgiebig. „Ich dachte, du hilfst mir."
Die Kommissarin zögerte, doch dann erzählte sie von dem nächtlichen Anruf.
„Und jetzt spielst du Rätselraten?" Der Kriminalobermeister trat hinter sie und warf einen Blick auf das Blatt.
„So'n Blödsinn!", knurrte er. „Kindskram!"
Da steckte Björn Magnus den Kopf herein. „Kindskram gibt es hier? Ich dachte, ihr seid mit so wichtigen Dingen beschäftigt wie Mordfälle aufklären." Eine Pappschachtel in den Händen, kam der Fotograf ins Büro geschlendert.
„Sabine zieht es vor, Kinderrätsel zu lösen", murmelte Sönke, warf dem Fotografen einen unfreundlichen Blick zu und zog sich dann mit dem obersten Aktenordner an seinen Schreibtisch zurück.
„Lass mich mal sehen", bat Björn. „Ich liebe Rätsel."
Bereitwillig schob Sabine ihm das Blatt hin und erzählte von dem nächtlichen Anruf.
„Irgendjemand ist tot", murmelte Björn.
Sabine nickte. „Ja, eine Frau, so weit bin ich auch schon. Und ich würde sagen, sie liegt in einem Wald oder zumindest unter Bäumen." Ihr Finger tippte an den Rand einer Zeile. „Ihr schirmend Dach vom Herbst bemalt, vom Sturmeswind verweht."
„Aber was soll denn das: ,Erstarrt in ihrer Schönheit schwebend, versilbert sie des Spiegels Glanz'?"
Sabine kaute auf ihrer Lippe. „Ich kann mir nicht denken, dass er von einem richtigen Spiegel spricht. Vielleicht von einer Wasserfläche, in der sie sich spiegelt. Ein See oder so etwas in der Art."
„Und darüber fliegt sie wie ein Vögelein?" Björn gab ihr das Papier zurück.
„Mit Susanna habe ich auch immer Rätsel gelöst", murmelte er und hob die
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