Der Duft des Blutes
Grund. Die haben ihm wohl nahegelegt, seine Sachen zu packen."
Sabine riss die Augen auf. „Was? Aber warum? Ich meine, was ist denn vorgefallen?"
Sönke zuckte die Schultern und wandte sich zum Gehen. „Keine Ahnung. Thomas hat im Sommer mal so eine Bemerkung fallen gelassen. Jedenfalls arbeitet er jetzt für irgendeinen privaten Sicherheitsdienst." Er hob die Hand zum Abschied. „Also denn, mien Deern."
Es wurde still um die Kommissarin herum. Immer mehr Lichter verloschen, doch sie konnte sich nicht aufraffen, nach Hause zu fahren. Irgendwo hatte jemand einen Fernseher eingeschaltet. Die Erkennungssequenz der Tagesschau hallte durch den dunklen Flur.
Entschlossen erhob sich die Kommissarin, schaltete den Computer aus und griff nach ihrer Jacke. Seit dem unerwarteten Besuch in ihrem Wagen stand der Passat zwischen den Dienstfahrzeugen unten im Carport, der das gesamte Präsidium unterhöhlte und außen herum wie ein Burggraben mit Wall umschloss. Das Angebot, einen Beamten zur Begleitung mitzunehmen, lehnte sie ab. Es war schon schlimm genug, dass ihr Telefon abgehört wurde und eine Zivilstreife vor ihrer Haustür stand. Sie fühlte sich nicht beschützt, nur überwacht und eingeengt.
Langsam fuhr Sabine Berner durch die nächtlichen Straßen nach Blankenese, stellte den Wagen unten am Mühlenberger Weg ab und stieg dann den lang gezogenen Treppenweg der Panzerstraße hinauf. Weiß gestrichene Gartenzäune mit geschwungenen, schmalen Törchen säumten den Weg, dahinter im Schein der Straßenlaternen riesenhafte Farne, Rhododendronbüsche und beerenschwerer Feuerdorn. In verwilderten Gärten, hinter altersschwachen Zäunen, erhoben sich die Häuser: rote Klinker mit weißen oder schwarzen Fachwerkbalken, ein tief gezogenes Reetdach über grün gestrichener Haustür, die letzten Geranien vor den Sprossenfenstern, ein schmales, weiß verputztes Haus mit Schindeldach, ein Rosenbogen, der zu einer leuchtend blauen Tür führte.
Die Kommissarin blieb vor der Nummer 13 stehen. Efeu verhüllte die roten Ziegel bis fast zum Dach, schmal, hoch und verwinkelt ragten die Mauern unter dem Reetdach auf. Hinter dem erleuchteten Küchenfenster sah Sabine eine alte Frau am Herd hantieren, auf dem Küchentisch lagen Zwiebeln und Kartoffeln, ein altmodischer Teekessel pfiff. Mit einem gehäkelten Topflappen nahm die Frau den Kessel vom Herd und goss das Wasser in eine dunkelbraune Steingutkanne.
Sabine trat an die Tür. „Mascheck", entzifferte sie das angelaufene Messingschildchen. Sie hatte den Finger schon am Klingelknopf, als sie zögernd innehielt.
Was sollte sie die alte Dame fragen? Wohnt hier ein unheimlicher Mann bei Ihnen, der ein Motorrad fährt und Frauen ermordet? Naja, vielleicht nicht ganz so direkt, nahm sie sich vor und drückte den Klingelknopf.
Die Kommissarin musste nicht lange warten, da flammte Licht in der Diele auf. Durch die vier quadratischen Scheiben in der oberen Hälfte der Haustür sah sie die Frau aus der Küche auf sich zukommen. Sie hob nur fragend die Augenbrauen, als sie die fremde Besucherin vor ihrer Tür sah.
„Entschuldigen Sie die späte Störung, Frau Mascheck?" Die alte Dame nickte zur Bestätigung. „Berner ist mein Name, von der Kriminalpolizei." Die Kommissarin holte ihren Ausweis hervor. „Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?"
Rosa Mascheck trat zurück und ließ die Besucherin eintreten. Kein Erstaunen, keine aufgeregten Fragen, warum die Kripo zu ihr komme, nur die Aufforderung, ihr in die Küche zu folgen.
„Der Tee ist gerade fertig."
Die Kommissarin ließ sich auf die ungepolsterte blaue Eckbank sinken und nahm den dampfenden Becher dankend entgegen.
„Wohnt ein Peter von Borgo hier bei Ihnen im Haus?", fragte Sabine und träufelte etwas Sahne in das starke Gebräu.
„Nein."
„Ein Privatdetektiv", fügte die Kommissarin hinzu, doch die alte Dame schüttelte den Kopf.
„Ich wohne hier seit dreißig Jahren alleine -kein Mann, nur meine Katzen gibt es hier." Sie deutete auf einen niedrigen Sessel, auf dem ein dicker grauer Kater schlief. Daneben auf der Kommode stand das vergilbte Foto eines kräftigen jungen Mannes in Marineuniform.
„Mein Sohn Hans", erklärte Rosa Mascheck, die dem Blick gefolgt war.
Sabine stand auf und betrachtete das Bild genauer. Der Mann war hellhäutig und das kurz geschorene Haar unter seiner Mütze eher blond. Bestimmt würde ihn niemand als unheimlichen Mann bezeichnen.
„Haben Sie ein Motorrad, Frau Mascheck?"
Die Alte
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