Der Duft des Blutes
immer einschlafen." In komischer Verzweiflung zuckte er die Schultern. „Sie sehen also, es wäre eine Verschwendung, die Karte einfach verfallen zu lassen. Das Philharmonische Staatsorchester kann sich wirklich hören lassen, und die Dirigentin Simone Young ist nicht nur eine Augenweide", fügte er noch hinzu, da er spürte, wie sie wankte.
„Das würde mich schon reizen, doch erstens ist das ein dienstlicher Besuch, und zweitens kann ich ja kaum in Jeans und Pulli mit Ihnen in die Musikhalle gehen!"
Um seine Mundwinkel zuckte es, doch er antwortete ernst. „Wir werden uns ganz dienstlich verhalten, und für das Garderobenproblem finden wir auch eine Lösung. Meine Schwester hat noch einige Kleider oben, und ich bin mir sicher, sie hätte nichts dagegen, wenn Sie sich eines leihen. Ja, ich denke, sie müssten Ihnen passen."
„Nein, das geht wirklich nicht!", protestierte die Kommissarin und hob abwehrend die Hände, und dennoch folgte sie ihm die prächtige Treppe zur Galerie hoch, von der aus ein ganz in warmen Gelb-und Orangetönen eingerichtetes Schlafzimmer abging.
Peter von Borgo kam ihr nicht nach. Er eilte den Gang hinunter, trat in das Ankleidezimmer des zweiten Schlafraumes und schloss die Tür. Schwer atmend lehnte er sich dagegen. Die spitzen Zähne unter seinen fest zusammengepressten Lippen drückten schmerzhaft in sein Fleisch.
Ich werde wahnsinnig, wenn ich sie nicht jetzt sofort kriege! Sein ganzer Leib zitterte vor brennender Gier, obwohl er sich erst vor einer Stunde an zwei Spaziergängern im Hirschpark gestärkt hatte.
Ganz ruhig!, befahl er sich, griff nach Kleid, Schuhen und Schal, die er für diesen Anlass besorgt hatte, und ging zu Sabine zurück.
„Hier, das müsste Ihnen doch passen." Er drückte ihr das Kleid in die Hand und verließ das Zimmer, bevor sie etwas sagen konnte.
Welch herrlicher Stoff! Seidig weich lag er in ihren Händen und schimmerte mal schwarz, mal in sattem Blau, je nachdem, wie das Licht darauf fiel. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen. Hastig warf sie ihre Kleider ab und schlüpfte hinein. Federleicht umschmeichelte das bodenlange Kleid ihre schlanke Figur, und auch die spitzen Pumps mit den zierlichen Absätzen passten, als seien sie für Sabine hergestellt worden. Die junge Frau zog das dunkle Tuch herunter, das den hohen Spiegel verhüllte, und drehte sich voll eiüer Selbstbewunderung vor der glänzenden Fläche, die ihr ein schmeichelhaftes Bild zurückwarf. Wenigstens hatte sie ihr kleines Schminktäschchen und eine Bürste in ihrer Tasche. Rasch ein wenig Wimperntusche, Puder und ein Hauch von Lippenstift und dann das Haar kräftig gebürstet, bis es glänzend auf die bis auf die schmalen Träger nackten Schultern fiel. .
„Frau Kommissarin, du siehst gar nicht schlecht aus", sagte sie zu ihrem Spiegelbild.
„Das ist eine Untertreibung. Sie sehen wundervoll aus!", erklang Peter von Borgos weiche Stimme.
Sabine wirbelte herum und ließ die Bürste fallen. Wann war er hereingekommen? Warum hatte sie ihn nicht bemerkt? Röte huschte über ihre Wangen. Keine drei Schritte entfernt stand er da, den blauen Seidenschal in seinen Händen.
„Wollen wir?" Langsam trat er heran, hob seine weißen Hände und näherte sie ihrem Hals, um den Schal darumzuwinden. Sabine erstarrte, ihr Lächeln war weggewischt, ihre Wangen totenbleich. Sie sah den seidigen Schal, und plötzlich wusste sie, dass sie sterben würde. Leichtsinnig war sie ihm in die Falle gegangen, und nun war es zu Ende. Ihre Hände umklammerten die Schnitzereien der Frisierkommode.
Peter von Borgo ließ die Hände sinken, der Schal flatterte zu Boden. Er las die Todesangst in ihren Augen. Nein, wie ungeschickt! Wie konnte ihm solch ein Fehler unterlaufen? Doch noch war nichts verloren. Er griff nach ihren Händen und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
„Ganz ruhig", flüsterte er. „Sieh mich an, es ist alles gut. Es gibt nichts, wovor du Angst haben musst." Der starre Blick in ihren Augen verschleierte sich. „Du wolltest dir gerade das Haar bürsten", flüsterte er ihr ins Ohr, bückte sich und drückte ihr dann die Bürste in die Hand, die ihr vor Schreck entglitten war. Der Vampir vermied es, in die spiegelnde Fläche zu sehen, in der nur das Bild der blassen jungen Frau in ihrem glänzend bläulichen Kleid erschien. Peter von Borgo griff nach dem Schal, eilte hinaus und schloss die Tür hinter sich. Aus einer alten Holztruhe nahm er eine Stola, schüttelte den Staub heraus
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