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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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er zu tun hatte, so als gehörten solche Nächte eben mit zum Alltag. Sabine roch das faulige Wasser, noch ehe es um ihre Füße gurgelte, schwarz und eisig, bedeckt mit weißen, tanzenden Schaumblasen. Ein letzter Sack wurde das schmale Treppenhaus hinaufgezerrt, da floss die finstere Flut schon durch Türen und Fenster in die untersten Wohnungen. Ein einsames Bettgestell verschwand unter den brackigen Wassermassen.
    „Kommen Sie, Sie holen sich ja den Tod", drang wieder die Stimme an ihr Ohr und führte sie weg.
    „Oh bitte, gibt es nicht etwas Wärmeres?", zitterte die junge Frau.
    „Aber ja, wie wäre es mit einer schwülen Mainacht 1842."
    Mai 1842, irgendetwas war damals passiert. Sabine ließ ihren Blick schweifen. Im Westen glühten noch die letzten Sonnenstrahlen -doch halt. Verwirrt drehte sie sich um ihre Achse. Sie standen unterhalb des Michaels, dann musste dort drüben Osten sein. War es das Morgenrot? Was war das für ein Geschrei? Warum läuteten die Glocken?
    „Die ganze Deichstraße steht in Flammen!", rief ein Mann, der einen vollbepackten Leiterwagen hinter sich herzog.
    „Ja, und die Häuser am Hopfenmarkt sind auch verloren", jammerte die Frau, die den Wagen von hinten anschob.
    Wie in Trance überquerte Sabine den Herrengrabenfleet und wankte auf das Glühen zu, das sich in lodernde Flammen auflöste. Jaulend schoss ein Spritzenwagen an ihnen vorbei.
    „Die Nikolaikirche brennt!", schrie Sabine und packte Peter von Borgo am Ärmel. Da tänzelten die Flammen hinter den Säulen, wuchsen und wucherten, bis sie den ganzen Turm umhüllten.
    „Kommen Sie, es ist noch lange nicht zu Ende."
    Sie ließ sich mitziehen, warf aber immer wieder einen Blick zurück auf den Turm, der wie eine Fackel in den Himmel ragte und dann erlosch. Schwarz und still stand er da, dann neigte sich die Spitze zur Seite. Sie verharrte einen Augenblick, knickte dann ab und stürzte senkrecht in die Tiefe.
    Es war ihr, als vergingen die Stunden im Zeitraffer. Haus um Haus, Straße um Straße wurde Opfer der Flammen. Zwei Feuerwehrleute schleiften einen verletzten Kameraden an ihnen vorbei. Der Gestank von verbranntem Fleisch ließ die junge Frau würgen.
    „Kommen Sie weiter. Die Börse brennt, der Neß, die Johannisstraße und auch der Jungfernstieg. Gleich werden sich die Flammen St. Petri nehmen."
    Hand in Hand eilten sie die Mönckebergstraße enüang. Hinter ihnen rauschten die Flammen, ein heißer Wind wirbelte Asche durch die Häuserschluchten, Menschen schrien, die Glocken läuteten. Vor ihnen plötzlich das Dröhnen von gesprengten Häusern. Der Boden erzitterte.
    „Oh bitte, bringen Sie mich hier weg", rief Sabine voll Entsetzen.
    „Zu Hause sind Sie sicher", flüsterte er. „Hier geht es nach St. Georg, halten Sie sich fest, es wird Ihnen nichts passieren. In St. Georg sind Sie vor den Flammen sicher."
    Schemenhaft tauchte der Kirchhof auf, dann der Mariendom. Das Glühen ließ nach, und auch der heiße Wind schlief ein. Die schrecklichen Bilder verblassten.
    Plötzlich wurde Sabine bewusst, dass sie in ihrem Schlafzimmer stand. Der Pelzmantel rutschte von ihrer Schulter und legte sich wie ein schlafendes Tier um ihre Beine. Peter von Borgo stand ganz nah vor der jungen Frau, deren Haut sich schimmernd vom tiefen Blauschwarz der weich fließenden Seide abhob. Seine Lippen bebten.
    Sabine fühlte heiße Wellen durch ihren Körper jagen. Es war ihr, als würde er sie mit seinen tiefen Augen verschlingen. Einfach in sich aufsaugen.
    Küss mich!, schrien ihre Lippen. Halte mich fest!, seufzte ihr Körper. Ihr Verstand schlummerte irgendwo einen unruhigen Dämmerschlaf. Sie schlang ihre Arme um seine Hüfte und legte ihre Hände auf den festen Po. Ihre Lippen näherten sich den seinen. Sie musste sich ein wenig strecken, um sie zu erreichen, denn Peter von Borgo war wie erstarrt. Kaum berührten ihre Lippen die seinen, die sich sanft und doch so seltsam kalt anfühlten, da riss er sich los und taumelte einige Schritte zurück. Sein Atem ging stoßweise, seine Augen waren weit aufgerissen.
    Enttäuscht und verletzt stand Sabine da. Ihr war plötzlich kalt. Zitternd schlang sie die Arme um ihren Leib. In ihren Augen glänzten Tränen.
    „Was ist?" Sie konnte sich sein Verhalten nicht erklären. Da zuckte ein Gedanke durch ihren Kopf, den sie, ohne weiter darüber nachzudenken, aussprach.
    „Mein Gott, Sie sind schwul, nicht?"
    Der gehetzte Ausdruck in seinem Antlitz wurde von einem Lächeln verdrängt. Langsam

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