Der Duft des Blutes
trinke keinen Alkohol."
„Rauchen Sie?"
„Auch das nicht."
Sabine leerte ihr Champagnerglas. „Sie trinken nicht, Sie rauchen nicht. Gestehen Sie, welches sind Ihre Laster?"
Der Vampir lächelte sie freundlich an. „Ich habe eine Schwäche für Jungfrauen und bin äußerst blutrünstig."
„Ah, Sie sind ein Chauvi!", stellte sie fest und drückte auf „Aufnahme". „Oder haben Sie zu viele Vampirromane gelesen?"
Nach der Pause führte Ottorino Respighi die Konzertbesucher mit seiner Römischen Trilogie an plätschernden Brunnen vorbei, unter rauschenden Pinien hindurch und dann zu fröhlichen römischen Festen. Viel zu schnell verging die Zeit, und dann war der letzte Akkord verklungen.
In den warmen Pelzmantel gehüllt, tippelte Sabine in ihren Pumps neben Peter von Borgo her. Dieses Mal lehnte sie seinen Arm nicht ab. Trotz des warmen Mantels kroch die Kälte der Oktobernacht an ihren Beinen hoch. Ihr Begleiter jedoch, in seinem Anzug ohne Mantel, schien die Temperatur nicht zu spüren.
„Wie machen Sie das nur?", bibberte Sabine, als er sie in Richtung Gänsemarkt führte.
„Was mache ich?"
„Nicht frieren!"
„Oh, Sie müssen sich nur ablenken. Lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf und tauchen Sie in eine andere Zeit ein oder reisen Sie zu einem anderen Ort."
„Auf gut Deutsch: Mach dir warme Gedanken", maulte Sabine.
Der Vampir schüttelte den Kopf. „Nein, diesen Sinn hatte mein Vorschlag nicht, obwohl solche Gedanken sicher auch sehr reizvoll sind." Er stellte sich ihr in den Weg und legte seine Handflächen leicht auf ihre Hüften.
„Schließen Sie die Augen."
Tu's nicht, warnte ihre Mutter, er wird versuchen, dich zu küssen. Na, und wenn schon, entgegnete das Weib und schloss erwartungsvoll die Augen. Soll er doch. Das gehört zu so einem Abend schließlich dazu, doch statt seine Lippen zu spüren, hörte sie seine flüsternde Stimme.
„Reisen Sie zurück, ein Jahrhundert, vielleicht noch ein zweites, und wandern Sie weiter durch die Straßen. Biegen Sie hier in die enge Gasse ein. Hier herrscht ewige Nacht. Kein Sonnenstrahl berührt je das schmutzige Pflaster. Ja, hier weiter runter in die Speckgasse und dann hinüber zum Bäckerbreitengang. Gehen Sie ruhig die schmalen Gänge entlang und berühren Sie die niedrigen, windschiefen Häuser zu beiden Seiten. Sie müssen nur die Arme ausstrecken, so schmal sind die Gassen hier. Riechen Sie, jedes Haus hat seinen eigenen Geruch. Er erzählt von der harten Arbeit, dem kargen Essen, von Krankheiten, Leid und Tod, aber auch von ausgelassenen Festen. Und all diese Gerüche zusammen ergeben dann den Dunst der Gasse. Hier in der linken Bude, ja, die Tür unten, wohnt eine Familie mit acht Kindern. In der Diele ist ein Herd eingemauert, und hinten raus ist noch eine kleine Kammer, doch zusammen haben sie kaum mehr Platz, als heute ein einziges Zimmer misst. Die Treppe daneben führt zur Saalwohnung hinauf. Die alte Frau dort oben kann die Treppen nicht mehr erklimmen, sodass sie ganz auf die Hilfe ihrer Nachbarinnen angewiesen ist." Der strenge Geruch von altem Kohl, Urin und ungewaschener Wäsche drang in Sabines Nase, und sie schüttelte sich.
„Das gefällt Ihnen nicht? Dann kommen Sie weiter, doch passen Sie auf, dass Sie mit dem Kopf nicht in der Wäsche hängen bleiben. Hören Sie die Musik?" Er zog sie an einer Gruppe verwegen aussehender Gestalten in blauen Arbeitskitteln vorbei. Aus einem niedrigen Fenster beugte sich eine grell geschminkte junge Frau, die oben nur ein geschnürtes Mieder anhatte. Die Musik wurde immer wilder und lauter. Ein warmer Schein ergoss sich durch die offene Tür auf die unratbedeckte Gasse. Männer grölten, eine Frau lachte. Der Dunst von Bier und Rauch schlug Sabine ins Gesicht.
„Wollen Sie noch hinunter zu den Fleeten?" Sie traten aus dem Schutz der Gänge, und plötzlich blies ihnen ein steifer Nordwestwind ins Gesicht. In der Ferne waren Kanonenschüsse zu hören. Einer, zwei, drei.
„Nein, das ist vielleicht keine gute Idee. Haben Sie die Schüsse gehört? Die Flut kommt, und sie wird heute Nacht über die Ufer treten. Jetzt ist dort unten an den Fleeten was los, sage ich Ihnen. Alle Bewohner sind auf den Beinen, um denen in den Kellerwohnungen zu helfen, ihre Habseligkeiten nach oben zu schaffen."
Stimmengewirr hüllte Sabine ein. In Nachtgewändem, nur einen Umhang oder Mantel übergeworfen, eilten die Menschen treppauf, treppab. Doch es war keine wilde Panik.
Jeder schien zu wissen, was
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