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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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ein bisschen auslüften kann."
    „Ehrlich?"
    „Ehrlich!"
    Sie hauchte Ingrid zwei Küsse auf die Wangen und schob sie dann auf den Fahrersitz.
    „Also dann, tschüss, und halte die Ohren steif!"
    Der Motor heulte auf. Kopfschüttelnd sah die Kommissarin dem kleinen gelben Wagen nach, wie er über das holprige Pflaster davonschoss.
    Den Schal eng um den Hals geschlungen, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, schlenderte die Kommissarin den Alten Wandrahm entlang. Sie beschloss, zum Baumwall hinüberzugehen, um von dort mit der U-Bahn nach Hause zu fahren. Als sie den Block P hinter sich ließ, wehte der Abendwind den Duft frisch gerösteter Bohnen von der Kaffeebörse herüber. Ein paar Möwen krächzten verschlafen.
    Etwas drängte sie, ihren Weg zu verlassen und dem kleinen Fleet links zu folgen. Der Kaffeeduft hüllte sie ein, als sie auf der Pickhubenbrücke stehen blieb und in das düstere Wasser des Brooksfleets hinuntersah. Hier hatten sie vor einigen Wochen die Leiche des ertrunkenen Matrosen gefunden, doch das war nicht der Grund, warum der Platz sie wie magisch anzog. Es war ihr, als müsse sie hier eine Antwort auf ihre vielen Fragen finden.
    Bewegungslos stand sie da, bis die Kälte ihr die Beine hochkroch. Der Wind frischte auf und jagte in eisigen Böen zwischen den aufragenden Speicherbauten hindurch. Sabine raffte ihren Mantel zusammen und wollte gerade weitergehen, als sie eine Bewegung wahrnahm. Schräg gegenüber, auf der anderen Seite des kleinen Fleets, stand eine Gestalt vor dem Eingang zum Block P. Es war zu dunkel und der Mann zu weit weg, um ihn erkennen zu können, und dennoch schlug ihr Herz schneller.
    Er rührte sich nicht und schien auch nicht in ihre Richtung zu sehen, und dennoch fühlte sich Sabine wie von einem Blick durchbohrt.
    „Komm her", flüsterte der Wind. „Komm zu mir!"
    Wie in Trance lenkte die junge Frau ihre Schritte zurück über die Brücke und dann den Kannengießerort entlang, bis sie vor ihm stand.
    „Guten Abend, Frau Kommissarin. Was führt Sie zu dieser Stunde in die Speicherstadt? Wie immer im Dienst des Landes auf Verbrecherjagd?"
    Sabine schüttelte den Kopf, um den merkwürdigen Schwindel daraus zu vertreiben.
    „Hallo, Herr von Borgo, es scheint unser Schicksal zu sein, dass wir uns an den merkwürdigsten Orten begegnen. Ich kann die Frage also nur zurückgeben: Was zieht Sie an einem Sonntagabend hierher?"
    Der Vampir wiegte den Kopf hin und her. „Soll ich Ihnen das wirklich gestehen? Es sind die Gerüche!"
    „Die Gerüche?"
    „Ja, die Gerüche. Wenn Sie hier weitergehen, dann hüllt der Kaffeeduft Sie ein. Dort drüben riecht es ein wenig nach den staubigen Bergwüsten, in denen die bunten Teppiche gefertigt werden, und wenn Sie hier durch diese Tür treten und langsam die Treppe hinaufsteigen, werden Sie von den wundervollen Gaben einer ganzen Welt umhüllt." Er streckte die Hand nach ihr aus. „Kommen Sie, ich werde es Ihnen zeigen."
    Die Kommissarin zögerte. „Wir können nicht einfach in diesen Speicher eindringen."
    „Doch, das geht schon in Ordnung", beschwichtigte sie Peter von Borgo und hielt die Tür auf. „Ein Freund, den ich oft besuche, ist hier Quartiersmann. Ich kenne mich hier gut aus, denn ich habe ganz in der Nähe -wie soll ich mich ausdrücken? -ein Domizil, einen Ort, an den ich mich zurückziehen kann."
    „Heißt das, dass Sie hier in der Nähe wohnen? Wo denn genau?"
    „Eher, dass ich hier ab und zu die Tage in stiller Einsamkeit verbringe."
    Den zweiten Teil ihrer Frage ließ er unbeantwortet, und Sabine spürte, dass es sinnlos war, weiterzufragen. Mit einem Schulterzucken trat sie in das einst prächtige Treppenhaus. Jetzt waren die Stufen ausgetreten, die Farben der Wandfliesen verblasst. In den Ecken blätterte der Putz von der Decke, nur das schmiedeeiserne Treppengeländer erzählte noch von der Zeit, als in der Speicherstadt das Herz des Hamburger Hafens schlug.
    Peter von Borgo eilte die erste Treppe hinauf und blieb dann vor einer zweiflügeligen Tür stehen.
    „Hier im Raum und auf dem ersten Boden lagern heute nur noch Teppiche, wie in so vielen Speichern -wenn sich nicht gerade Werbeleute, Anwälte oder die viel gepriesenen neuen Medien mit ihren Büros auf den alten Böden eingenistet haben." Sabine schmunzelte. „Sie sprechen wie mein Großvater, der alles Neumodische als Teufelszeug verdammt und sich nach den guten alten Zeiten zurücksehnt – auch wenn er in diesen ,guten Zeiten' zwei

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