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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Kriege miterleben musste."
    Langsam stieg der Vampir die zweite Treppe hoch.
    „Vielleicht bin ich ein Ewiggestriger, vielleicht geht mir die Entwicklung aber auch einfach nur zu schnell. Früher lagerte im Keller Wein in großen Eichenfässern, im Raum mal Baumwolle, mal Kautschuk und hier auf dem ersten Boden Tabak. Schließen Sie die Augen und riechen Sie! Ganz schwach kann man ihn noch wahrnehmen."
    Sabine tat wie geheißen, doch nach einer Weile schüttelte sie den Kopf. „Ich rieche nur Staub und altes Holz."
    „Dann kommen Sie, gehen wir zu den Gewürzen!"
    Eifrig wie ein kleiner Junge zog er sie hinauf, öffnete eine Tür und führte Sabine dann zwischen den Säcken hindurch. Der intensive Duft verschiedener Gewürze vermischte sich zu einer verwirrenden Wolke, die sie einhüllte.
    „Was ist das alles?"
    Peter von Borgo griff nach einem dünnen, schräg angeschnittenen Metallrohr und bohrte es in einen Sack. Als er den Probenstecher wieder herauszog, war er mit kleinen roten Schoten gefüllt.
    „Getrockneter Chili?" Sabine blinzelte. Sie konnte ihn nicht nur riechen. Seine Schärfe brannte ihr auf der Zunge.
    In Säcken, Kisten und Dosen lagerten Sternanis, roter und weißer Pfeffer, Zimtrinde, Senfkörner und Vanilleschoten. Sabine roch und staunte, bis ihr ganz schwindelig wurde. Der Vampir führte sie weiter hinauf ins Kakaolager und dann zu den Teekisten auf dem obersten Boden.
    „Wie herrlich", seufzte Sabine und sank in der Nähe des Fensters auf eine Kiste. Ihr Blick schweifte über den nächtlichen Fleet tief unter ihr und hinüber zu den backsteinernen Fassaden der Speicherhäuser auf der anderen Seite.
    „Hier hat man wirklich fast den Eindruck, in der Geschichte zurückgereist zu sein."
    Es war ihr, als könne sie die schwer beladenen Ewern und Schuten auf dem Wasser unten sehen und den Hievenpacker mit seinen fest verschnürten Bündeln. Ein Ruf erscholl. Die beiden Flügel der oberen Luke schwangen zur Seite.
    Vorsichtig ließ der Windenmann das Seil mit den schweren Haken herunter. Kaum hatte die Kette die Hieve erfasst, zog die Winde an, und das Sackbündel schwebte langsam zum sechsten Boden hinauf. Der Lukenvize beugte sich weit nach vorn und gab dem Mann an der Winde ein Zeichen. Kaum hatte das Bündel den Boden erreicht, schob der Vize den Taxameter bis zum Haltebalken vor. Die beiden kräftigen Männer in ihren blauen Hosen und schmutzigen Pullovern schlugen die Sackgreifer in das Bündel und zogen die Hieve herein. Vorsichtig wurde die Last auf dem Taxameter abgesetzt. Der Wäger notierte eifrig das Gewicht und gab dann den Trägern ein Zeichen. Unter der Aufsicht ihres Stapelvizes luden sie Sack für Sack auf den gebeugten Rücken und schichteten die wertvollen Güter hinten an der Wand auf.
    Der Vampir setzte sich neben Sabine. „Ja, die Speicherstadt ist eine kleine Insel der Geborgenheit", sagte er leise, „doch die Wellen der Zeit nagen an ihr. Stück für Stück wird abgetragen und ins Meer hinausgeschwemmt. Erst waren es die Lastwagen, die statt der Pferdekarren über das Pflaster holperten, dann blieben die Ewern und Schuten weg. Die Ewerführer tauschten Kautschuk und Seide, Gewürze und Tee gegen zahlende Touristen ein." Er seufzte tief. „Nur noch Teppiche und Büros finden Sie hier oder Freizeitgrusel für Touristen, die sich im blutigen Dungeon erschrecken lassen und dann denken, sie hätten Hamburgs Geschichte erlebt."
    Er hob die Hand und deutete in die Ferne. „Dort draußen, in stählernen Containern, ruhen die Schätze, die das Leben der Speicherstadt waren."
    „Die Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen und der Fortschritt nicht aufhalten. Viele Änderungen bedeuten für uns ein leichteres Leben", wagte Sabine zu erwidern.
    „Ja, ich weiß. Entschuldigen Sie, dass ich mich in einer sentimentalen Stimmung hinreißen ließ. Was wir hier als alte Tradition beweinen, war für die Leute am Doverfleet 1884 die unbekannte Moderne, vor deren Gewalt sie weichen mussten. Wussten Sie, dass für den Bau der Speicherstadt sechzehntausend Menschen umgesiedelt wurden?"
    „So viele?", rief Sabine erstaunt. Sie trat ans Fenster und sah in die Nacht hinaus. „Wie es hier damals wohl ausgesehen hat?"
    Der Vampir trat dicht hinter sie. Seine klangvolle Stimme hüllte die junge Frau ein, als er leise zu erzählen begann.
    „Als die Vorschlaghämmer kamen, fielen unter ihnen herrliche Barockhäuser reicher Kaufmannsfamilien, mit zweigeschossigen Dielen, Kassettendecken,

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