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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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»Vermutlich irgendeine Mädchenleiche.« Jede Bejahung oder Verneinung dieser Unterstellung wurde durch das Klingeln des Telefons unterbunden. Es war Becky Cobbett. Inez sprach mit ihr und bedeckte den Hörer, während sie zu Crippen sagte: »Seine Tante möchte auf die Polizeistation kommen und mich mitnehmen. Ich nehme an, Sie haben nichts dagegen?«
    Jones zog die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. Crippen meinte mit unergründlichem Gesichtsausdruck: »Wenn es sein muss.«
    Der Besuch auf der Polizeistation war ziemlich sinnlos. Sie durften Will nicht sehen, erfuhren nichts und wurden weitgehend ignoriert. Schließlich bekam ein Sergeant in Uniform Mitleid mit ihnen und brachte ihnen Tee und Schokokekse. Inez saß auf glühenden Kohlen, weil sie den Alkohol in Beckys Atem aus einem Meter Entfernung riechen konnte. Becky hatte sie im Laden abgeholt und hierher gefahren. Während der Fahrt hatte Inez ständig Ängste ausgestanden, man würde sie anhalten und Becky müsste blasen. Früher oder später müsste Becky sie wieder zurückfahren – bitte, lieber Gott, mit Will. Vielleicht erst am Abend, doch dann würde die Polizei sicher das merken, was ihr vom ersten Moment an aufgefallen war. Allerdings hatte Becky mindestens ein halbes Dutzend Mal auf dem Handy mit ihrem Büro telefoniert, obwohl sie, wie Inez befand, heftig dem Cognac zugesprochen hatte.
    Inez dachte an Freddy, dem sie ihr Geschäft anvertraut hatte. Vermutlich war alles in Ordnung, auch wenn Zeinabs Anwesenheit sie mehr beruhigt hätte. Freddy war ehrlich, davon war sie überzeugt, jedoch zutiefst albern, wenn auch nicht dumm. Er vertraute den Leuten zu sehr und betrachtete die Welt vom Standpunkt eines Unschuldigen aus, der sich selbst für weltklug hält. Eine gefährliche Illusion. Becky war zu dem Sergeant am Schalter gegangen, um sich zu erkundigen, ob man bereits entschieden hätte, dass Will einen Rechtsbeistand bekommen dürfe. Könnte sie nicht einen für ihn besorgen? Im gleichen Moment tauchte Zulueta auf und meinte, Will brauche keinen Anwalt, da er sowieso keinen Ton geäußert habe. Dann setzte er sich zu ihnen und erkundigte sich nach Wills Verbindung zur Sixth Avenue in Queen’s Park. Warum hatte er einen Spaten gekauft? Warum hatte er den Garten eines leeren Hauses aufgegraben?
    Becky war das alles völlig schleierhaft. Ihres Wissens hatte Will noch nie einen Fuß nach Queen’s Park gesetzt, es sei denn, er hätte dort mit Keith Beatty gearbeitet. »Schauen Sie, wie lange können Sie ihn hier behalten?«, fragte sie. »Inzwischen müssen vierundzwanzig Stunden vorbei sein. Das ist empörend.«
    »Momentan«, sagte Zulueta nach einem Blick auf seine Uhr, »sind es erst zwanzig. Er darf sechsunddreißig Stunden in Untersuchungshaft gehalten werden, und dann können wir das verlängern lassen, seien Sie versichert. In diesem Fall ohne Probleme.«
     
    Kaum war Inez fort, kam Ludmilla, die sich alleine langweilte und nicht zu den Frauen gehörte, die gern ohne männliche Begleitung herumliefen, in den Laden herunter. Auf zwei Dinge war sie stolz: auf ihre stets blonde Haarfarbe, die sie – da hätte sie jeden Eid geschworen – nicht aufgefrischt hatte, und auf ihre überschlanke Figur. Normalerweise machte sie sich so zurecht, dass beides vorteilhaft zur Geltung kam. In einem hautengen, oder besser gesagt, knochenengen, bodenlangen dunkelgrünen Seidenkleid mit einer grauvioletten Paschmina lehnte sie sich in den grauen Samtsessel, legte die Beine übereinander und breitete die Haare wie ein Spitzendeckchen über den Sesselrücken. Eben erst hatte sie die Paschmina gebügelt und dabei über dem Fransensaum den Stoff versengt, doch die braune Stelle hatte sie kunstvoll über ihren Ellbogen drapiert. Ihre Pose war nicht dazu gedacht, Männer zu umgarnen, denn Freddy war ihr ja bereits erlegen, doch als Anwar Ghosh auf einen kurzen Plausch mit seinem Freund hereinspazierte, räkelte sie sich noch lässiger.
    Anwar beachtete sie gar nicht. »Was ist mit der alten Frau?« Er schaute sich um, als könnte sich Inez hinter einer der Vitrinen verstecken.
    »Hat was auf der Polizei zu erledigen«, meinte Freddy wichtig. »Ich bin jetzt der Chef.«
    »Was zu erledigen?« Dieses Wort hörte Anwar gar nicht gern. Für ihn war es nur von Vorteil, wenn sich die Polizei möglichst wenig für »Star Antiquitäten« interessierte.
    »Es geht um den zurückgebliebenen Jungen, der neben mir wohnt«, sagte Ludmilla mit einem merkwürdigen

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